Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers auf Gewährung von Erziehungsgeld
Orientierungssatz
1. Kein Anspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers auf die Gewährung von Erziehungsgeld gemäß § 1 Abs 6 BErzGG idF vom 13.12.2006, wenn mit der nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnis noch nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt war.
2. Die von § 1 Abs 6 Nr 2 BErzGG idF vom 13.12.2006 geforderte Aufenthaltserlaubnis besitzt ein Ausländer erst, wenn tatsächlich in dem Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit erlaubt wird.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.10.2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung von Erziehungsgeld hat.
Der 1973 geborene Kläger ist irakischer Staatsbürger und Vater der am 00.00.2005 geborenen Zwillinge Z und I U. Der Kläger und seine Ehefrau sind im Dezember 2002 in die Bundesrepublik eingereist und hatten am 03.12.2002 die Gewährung von Asyl beantragt. Die Ablehnung des Asylantrags wurde mit Abweisung der Klage am 03.08.2006 bestandskräftig. Seit dem 06.09.2006 verfügte der Kläger über eine Duldung. Am 11.05.2007 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt. Sie erhielt die Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet". Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt wurde diese Nebenbestimmung dahingehend geändert, dass eine Beschäftigung jeder Art gestattet war. Seit dem 01.07.2007 übt der Kläger eine geringfügige Beschäftigung aus.
Die Ehefrau des Klägers hatte am 05.01.2006 die Gewährung von Erziehungsgeld beantragt; sie besaß damals über eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Dieser Antrag wurde mit bestandskräftigen Bescheid vom 06.01.2006 abgelehnt, weil die Ehefrau nicht über einen Bezug von Erziehungsgeld berechtigenden Aufenthaltstitel verfüge.
Am 16.07.2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Erziehungsgeld für das 2. Lebensjahr der Kinder. Diese Anträge wurde mit Bescheiden vom 07.08.2007 abgelehnt, weil der Kläger keinen Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) besitze und auch die Voraussetzung der Nr. 3 a.a.O. nicht vorlägen, da der Kläger sich rechtmäßig erst seit Erteilung der Duldung in der Bundesrepublik aufhalte. Zur Begründung des Widerspruchs wies der Kläger darauf hin, dass nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 3 lit. a BErzGG auch ein gestatteter Aufenthalt ausreiche, so dass die Voraussetzungen für den Bezug von Erziehungsgeld spätestens seit dem 01.07.2007 vorlägen. Unabhängig davon bestehe ein Anspruch auch schon seit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.07.2004 dürften Ausländer, die sich voraussichtlich auf Dauer im Bundesgebiet aufhielten, nicht vom Erziehungsgeld ausgeschlossen werden. Insoweit sei es nicht sachgerecht, für die Bezugsberechtigung allein an den Besitz des Aufenthaltstitels anzuknüpfen, da die formale Art des Titels allein die Prognose eines Daueraufenthaltes nicht ermögliche. Ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Prognose sei nach dem BVerfG die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Nach § 9 Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) könnten Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis je nach Dauer des Voraufenthaltes eine von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unabhängige Arbeitserlaubnis erhalten. Diese Regelung gelte auch für Inhaber einer nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis (so genannte Bleiberechtler). Diese hätten einen Anspruch auf Erziehungsgeld, ohne die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 BErzGG aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Die Verlängerung der nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis sei wie bei jeder befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis abhängig von dem Fortbestehen der Erteilungsvoraussetzungen. Gleiches gelte für die in § 1 Abs. 6 Nr. 2 lit. c AufenthG aufgeführten Aufenthaltstitel. Diese seien bei näherer Betrachtung nicht weniger auf Dauer angelegt als die Aufenthaltserlaubnis des § 23 Abs. 1 AufenthG oder andere Aufenthaltstitel, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigten. Somit knüpfe die gesetzliche Neuregelung des § 1 Abs. 6 BErzGG ungeachtet des Beschlusses des BVerfG erneut an den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis an und führe damit wieder dazu, den Kreis der Anspruchsberechtigten in diskriminierender Weise einzuschränken. Durch die Neufassung würden weiterhin große Gruppen mit humanitären Aufenthaltserlaubnissen, die zwar nach § 9 BeschVerfV einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, aber derzeit nicht erwerbstätig seien - etwa weil sie erwerbsunfähig oder alleinerziehend seien oder die Anwarts...