Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse für eine selbstbeschaffte Leistung

 

Orientierungssatz

1. Die Kopforthesenbehandlung zur Korrektur einer Schädeldeformität bei einem Kind stellt eine neue Behandlungsmethode i. S. von § 135 SGB 5 dar, zu der eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses noch nicht vorliegt. Damit gehört sie nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, weil insoweit ein Fall des sog. Systemversagens nicht vorliegt, vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 15/07 R.

2. Im Übrigen besteht auch dann kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB 5 gegenüber der Krankenkasse, wenn der Versicherte den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Eine Kostenerstattung ist dann ausgeschlossen, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges besorgt hat, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten.

3. Nur dann, wenn aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung der Krankenkasse einzuholen, besteht unter dem Gesichtspunkt der Unaufschiebbarkeit der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB 5. Verlangt wird insoweit eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest vergleichbare Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/97.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 04.01.2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine Kopforthese in Höhe von 1.819,00 Euro.

Mit am 22.11.2011 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 15.11.2011 beantragte die Praxisklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Dr. Dr. S und Dr. Dr. N die Übernahme der Kosten für eine Kopforthesenbehandlung des am 00.00.2011 geborenen Klägers, der bei der Beklagten familienversichert ist. Aufgrund einer allgemeinen Einschränkung der Kopfbeweglichkeit habe sich eine Vorzugshaltung und in der Folge eine starke Abflachung des rechten Hinterkopfes mit Beteiligung der rechten Stirn entwickelt. Es sei nach klinischer Befunderhebung und Scan des Köpfchens die Diagnose eines Plagiocephalus gestellt worden. Eine operative Korrektur sei nicht indiziert, da es sich um eine lagerungsbedingte Kopfverformung handele. Allerdings sei eine Indikation für eine Helmbehandlung gegeben. Die Gesamtkosten der Behandlung bezifferte die Praxisklinik mit einem Betrag von 2.475,01 Euro, wobei die Kosten für den Helm mit 1.819,00 Euro und die ärztliche Leistung mit 656,01 Euro angegeben wurden. Als Nachweis der Kosten für den Helm war dem Schreiben ein Kostenvoranschlag der Firma C GmbH vom 14.11.2011 beigefügt.

Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens vom 01.12.2011, in dem die medizinische Notwendigkeit für die Kostenübernahme der Kopforthesentherapie zu Lasten der GKV verneint wurde, lehnte die Beklagte nach vorangegangener telefonischer Mitteilung am 07.12.2011 mit schriftlichem Bescheid vom 26.01.2012 die Kostenübernahme für eine Kopforthese ab. Es handele sich bei dieser Therapie um eine außervertragliche Behandlungsmethode, die grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden könne. Nach dem Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 29.10.2010 liege bei nicht-synostotischer Schädelasymmetrie keine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne vor. Es gebe auch keine wissenschaftlich gesicherten Belege, dass eine solche Schädelasymmetrie im frühen Kindesalter im späteren Leben zu strukturellen oder funktionellen Schädigungen oder gar lebenslangen Behinderungen führe. Primäres Behandlungsziel sei nicht die Korrektur der Schädelasymmetrie, sondern die Behandlung der zugrunde liegenden Störungen, wie z.B. Muskelverkürzungen im Bereich des Halses und Koordinationsstörungen. Richtige Lagerung und krankengymnastische Behandlung seien geeignete Behandlungsmaßnahmen.

Zuvor war die Beklagte unter dem 13.01.2012 um eine schriftliche Kostenzusage zur Übernahme der Kosten für die Kopforthesenbehandlung des Klägers gebeten worden. In diesem Zusammenhang wurde eine Rechnung der C GmbH vom 11.01.2012 bezüglich der Kopforthese in Höhe von 1.819,00 Euro eingereicht; ausweislich der Rechnung erfolgte die Auslieferung der individuell für den Kläger angefertigten Kopforthese aus Kunststoff am 28.11.2011.

Der gegen den Bescheid vom 26.01.2012 eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass es sich um eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handele. Alternative Behandlungsmethoden würden krankenversicherungsrechtlich anerkannt.

Nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens vom 04.04.2012, nach dem sozialmedizinisch keine Empfehlung in den engen G...

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