Entscheidungsstichwort (Thema)
Einverständniserklärung beider Elternteile eines minderjährigen Klägers als Zulässigkeitsvoraussetzung einer eingelegten Berufung
Orientierungssatz
Ein nicht prozessfähiger minderjähriger Kläger wird gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB durch dessen Eltern gesetzlich vertreten. Legt allein dessen Vater Berufung ein, ist diesem das Recht zur alleinigen Vertretung durch eine familiengerichtliche Entscheidung nicht übertragen worden und fehlt es an der erforderlichen Einverständniserklärung der Mutter, so ist die Berufung nach § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.12.2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 00.00.2011 geborene Klägerin erlitt am 17.04.2017 im Kindergarten beim Rutschen einen Sturz auf den Rücken (Folgen: u.a. "ausgeheilte Brüche der Brustwirbelkörper 6-9"). Ihr Vater, über den sie bis zum 31.05.2020 bei der Beklagten krankenversichert war, beantragte bei der Unfallkasse NRW die Übernahme der Kosten eines sog. Kompetenzgutachtens. Die Beklagte, an die der Antrag weitergeleitet wurde, lehnte unter dem 21.09.2018 die Übernahme der "Kosten für ein Kompetenzgutachten" bzw. "aller Kosten des Verfahrens und Behandlungen" der Klägerin ab, weil es sich dabei nicht um Bestandteile des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Dagegen hat der Vater der Klägerin, der das Sorgerecht für die Klägerin nur gemeinsam mit der Mutter des Kindes ausüben darf, von der er seit dem 08.07.2019 geschieden ist, am 21.09.2018 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Köln erhoben. Das Sozialgericht hat diese mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2018 als unzulässig abgewiesen, weil das Vorverfahren noch nicht abgeschlossen sei und die Beklagte bis zum 15.01.2019 Zeit zur Bescheidung des Widerspruchs habe. Der Vater der Klägerin hat dagegen Berufung (L 16 KR 781/18) eingelegt.
Den am 15.10.2018 außerdem eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Die Erstellung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand bzw. die Ursachen von Erkrankungen falle nicht unter § 11 SGB V. Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung könne das Kind einem Vertragsarzt zur Diagnose und Behandlung vorgestellt werden.
Die dagegen vom Vater der Klägerin in deren Namen erhobene - streitgegenständliche - Klage (S 23 KR 3548/18) hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 28.12.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe mit dem Bescheid vom 21.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2018 zu Recht die Kostenübernahme für das beantragte "Kompetenzgutachten" im Sinne eines medizinischen Gutachtens zu den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und Verletzungen abgelehnt.
Dagegen richtet sich die von ihrem Vater eingelegte Berufung der Klägerin vom 31.12.2018, mit der das Begehren auf Kostenübernahme für ein "Kompetenzgutachten" weiterverfolgt wird. Die beantragte Untersuchung und deren Kostenübernahme seien zur Klärung einer etwaigen Erberkrankung erforderlich. Ein Termin im Institut für Humangenetik sei für den 28.10.2021 vereinbart.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.12.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2018 zu verpflichten, die Kosten für ein Kompetenzgutachten zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit dem 01.06.2020 nicht mehr über den Vater bei ihr versichert sei, sondern über ihre vom Vater geschiedene Mutter bei einer anderen Krankenkasse.
Weil der Vater nicht das alleinige Sorgerecht für seine Tochter besitzt (vgl. u.a. Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 20.12.2019 - II-25 UF 188/19), hat ihn der Senat - erfolglos - aufgefordert, eine Erklärung der gemeinsam mit ihm sorgeberechtigten Mutter der Klägerin vorzulegen, mit der diese in die Führung der im Namen der Tochter anhängige gemachten Verfahren vor dem Landessozialgericht einwilligt. Mit Beschluss vom 28.05.2019 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Klage ohne Zustimmung der Mutter unzulässig sei und im Übrigen das Sozialgericht zu Recht die Kostenübernahme für das beantragte Kompetenzgutachten im Sinne eines medizinischen Gutachtens zu den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen abgelehnt habe.
Der Senat hat den Beschluss des OLG Köln vom 20.12.2019 und die Akten des Amtsgerichts Köln - 314 F 252/19 - beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, der o.g. Akten des Amtsgerichts Köln,...