Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen bei wirtschaftlich zumutbarer Vermögensverwertung

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung setzt nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB 2 u. a. die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers voraus. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Antragsteller im geltend gemachten Bewilligungszeitraum über verwertbares Vermögen oberhalb der zustehenden Vermögensfreibeträge verfügt, dessen Verwertung wirtschaftlich zumutbar möglich ist und keine besondere Härte bedeutet.

2. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt dann vor, wenn der aktuell auf dem Markt zu erzielende Geldwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert steht, vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 100/11 R.

3. Die Verwertung einer Lebensversicherung ist u. a. dann nicht offensichtlich unwirtschaftlich, wenn der realisierbare Rückkaufwert den als Summe der eingezahlten Beiträge errechneten Anschaffungswert überschreitet.

4. Die Verwertung einer Lebensversicherung ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB 2 dann ausgeschlossen, wenn sie für den Hilfebedürftigen eine besondere Härte bedeuten würde. Ein Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt sind beide zusammen nur mit einer Versorgungslücke geeignet, eine besondere Härte i. S. der Vorschrift darzustellen. Erforderlich sind insoweit nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände in ihrem Zusammenwirken, vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 R.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 22.09.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begeht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 20.07.2009 bis zum 15.05.2011.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger beantragte am 03.07.2009 Leistungen nach dem SGB II. Er gab an, er werde bis zum 19.07.2009 Arbeitslosengeld I i. H. v. täglich 36,11 Euro beziehen. Zu seinem Vermögen gab der Kläger - unter Vorlagen von Kopien des Sparbuches und der Kontenauszüge - an, er verfüge über ein Girokonto mit einem Guthaben von 590,34 Euro zum 21.07.2009 und ein Sparbuch mit einem Guthaben von 211,15 Euro zum 21.07.2009.

Des Weiteren sei er Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz.

Hierzu legte der Kläger Unterlagen und Angaben seines Versicherers vor, aus denen sich ergibt, dass er eine am 01.10.1978 beginnende kombinierte Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz mit einem vereinbarten Ablaufdatum zum 30.09.2023 abgeschlossen hat, die keinem Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), unterliegt.

Bei Rückkauf der Versicherung zum 01.08.2009 stünde einer Summe bereits gezahlter Beiträge von 11.598,38 Euro ein Rückkaufwert inkl. Überschussbeteiligung von 12.756,69 Euro gegenüber bei einer bislang erreichten Garantieleistungen von 23.391,00 Euro zum Ablauf am 01.10.2023.

Mit Schreiben vom 29.07.2009 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung seines Leistungsantrages an. Der Kläger machte daraufhin die Unwirtschaftlichkeit der angesonnenen Verwertung seiner Lebensversicherung und den damit einhergehenden Verlust seiner Berufsunfähigkeitsversicherung geltend.

Mit Bescheid vom 23.07.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, weil sein nach der Summe der eingezahlten Beiträge im Verhältnis zum Rückkaufswert wirtschaftlich verwertbares Vermögen von 13.558,48 Euro die insgesamt zustehenden Freibeträge von 7650,00 Euro übersteige.

Mit Bescheid vom 07.12.2009 wies der Kreis L1 den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 22.12.2009 hat der Kläger Klage erhoben und angegeben, seine Lebensversicherung sei ausschließlich zu seiner Altersvorsorge bestimmt; bei ihrer Auflösung verliere er zugleich seine Vorsorge gegen den Eintritt von Berufsunfähigkeit.

Entgegen der Annahme der Beklagten sei die Verwertung der Lebensversicherung auch unwirtschaftlich, weil er bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages seine bis zum 01.10.2023 zu erwartende weitere Überschussbeteiligung verlieren werde.

Im Übrigen habe ihn bei der Antragstellung niemand darüber belehrt, dass er sich gegen den Zwang zur Auflösung seiner Lebensversicherung durch Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses wappnen könne. Insofern komme in Betracht, Leistungen bei Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches rückwirkend ab Antragstellung zu gewähren. Einen Verwertungsausschluss werde er aber nur vereinbaren, sobald dies sicher feststehe.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2011, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Gegen den am 05.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.1...

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