Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag des Klägers, einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören

 

Orientierungssatz

1. Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG ist von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig. Sie kann ansonsten nur abgelehnt werden, wenn der Antrag in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

2. Eine Verzögerung des Rechtsstreits ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Ablehnung einer Beweisaufnahme nach § 109 SGG bereits terminiert war.

3. Eine Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt dann vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden ist.

4. Die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler i. S. des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar und kann zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht führen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger wurde im Jahre 1970 im deutschen Steinkohlebergbau angelegt und war nach einer Lehre als Bergmechaniker u.a. als Hauer, Kolonnenführer und Sicherheitskraft tätig. Im Februar 1998 kehrte er ab. Nach einer Umschulung 1998 war der Kläger als Sicherheitsservicekraft im Öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt. Seit Dezember 2002 ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht seit dem 01.02.2006 von der Beklagten die Rente für Bergleute wegen Vollendung des 50. Lebensjahres.

Am 01.01.2006 beantragte der Kläger nach vorangegangenen Verfahren erneut die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztberichte bei und ließ ihn am 20.04.2006 von ihrem Sozialmedizinischen Dienst (SMD) untersuchen. Es wurden beim Kläger ein chronisches Lendenwirbelsäulen-Schmerzsyndrom mit Minderbelastbarkeit und Einschränkung der Beweglichkeit bei rechts mediolateral betontem Bandscheibenvorfall L3/L4 und Bandscheibenvorwölbungen in den darunter liegenden Segmenten, eine Minderbelastbarkeit und schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Wirbelkörper- und Bandscheibendegeneration der mittleren und unteren Halswirbelsäule, eine leicht- bis mäßiggradige Hörminderung beidseits eine Fettstoffwechselstörung und eine Übergewichtigkeit diagnostiziert. Der Kläger sei aber noch in der Lage, vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2006 die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab. Sie führte aus, der Kläger könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein. Teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da der Kläger im Vergleich zu seiner früheren Tätigkeit als Sicherheitskraft noch die sozial zumutbare Tätigkeit als Hilfsarbeiter mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Nachdem die Beklagte weitere Arztberichte über den Kläger zu den Akten genommen hatte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurückgewiesen.

Mit seiner am 10.01.2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt.

Er hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 zu verurteilen, bei ihm ab 01.01.2006 einen Zustand von voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie hilfsweise ein Gutachten gemäß § 109 SGG von Dr. H aus C einzuholen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Zwecke der Beweiserhebung über das dem Kläger verbliebene gesundheitliche Leistungsvermögen hat das Gericht zunächst Befundberichte beigezogen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. I, dem Radiologen Dr. B, dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N sowie dem Arzt für Orthopädie Dr. I1. Anschließend hat das Gericht ein chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten von Dr. E vom 07.08.2007 eingeholt. Die gerichtliche Sachverständige hat beim Kläger eine Funktions- und Belastungsminderung der Wirbelsäule, eine psychovegetative Symptomatik, eine angegebene Hörminderung sowie als Nebenleiden eine Übergewichtigkeit, Stoffwechselstörungen, eine Bauchdeckenschwäche und Gelenkveränderungen diagnostiziert. Sie hat den Kläger noch für in der Lage gehalten, eine leichte bis gelegentlich/kurzfristig mittelschwere Tätigkeit im Wechsel de...

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