Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungshilfe. Sprachlehrgang. Konventionsflüchtling. Gleichbehandlung. Regelungslücke. analoge Anwendung

 

Orientierungssatz

Die analoge Anwendung des § 62a Abs 4 S 1 Nr 2 AFG auf Konventionsflüchtlinge ist geboten, weil insoweit eine vom Gesetzgeber nicht geplante Regelungslücke vorliegt. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, ihrer Systematik sowie ihrem Sinn und Zweck.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Teilnahme der Klägerin an einem Deutsch-Sprachlehrgang zu fördern hat.

Die im Jahre 1948 geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige. Sie arbeitete in ihrem Heimatland Irak bis November 1981 als Lehrerin. Sodann reiste sie mit ihrer Familie nach Algerien aus. Dort war sie bis September 1984 an einer weiterführenden Schule als Biologielehrerin beschäftigt. Anschließend gab sie in Algerien bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im September 1992 Nachhilfeunterricht in Arabisch und Biologie.

Ihren Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte vom 22.09.1992 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 13.12.1994 ab, erkannte aber gleichzeitig das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) hinsichtlich des Irak an. Die zuständige Ausländerbehörde stellte ihr einen Reiseausweis für Flüchtlinge sowie eine Aufenthaltsbefugnis aus, die derzeit bis zum 19.06.1999 befristet ist. Die Beklagte erteilte der Klägerin, die zur Zeit Sozialhilfe bezieht, im Oktober 1995 eine unbeschränkte und unbefristete Arbeitserlaubnis.

Die Klägerin nahm in der Zeit vom 27.11.1995 bis zum 24.05.1996 erfolgreich an dem von den Handwerksbildungsstätten e.V. C durchgeführten Grundlehrgang "Deutsch für Aussiedler und Asylberechtigte" teil.

Ihren Antrag auf Förderung vom 29.11.1995 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 05.01.1996 mit der Begründung ab, die Klägerin gehöre nicht zu dem in §§ 62 a ff Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aufgeführten Personenkreis. Sie sei weder Spätaussiedlerin noch Asylberechtigte oder Kontingentflüchtling.

Den Ende Januar 1996 eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, sie habe als Flüchtling iS der Genfer Konvention im wesentlichen dieselben Ansprüche wie Asylberechtigte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.1996 zurück: Es könne nicht von dem im Gesetz eindeutig bezeichneten förderungsfähigen Personenkreis abgewichen werden.

Die Klägerin hat am 19.03.1996 Klage erhoben und vorgetragen: Nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention) habe sie Anspruch auf Gleichbehandlung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe in seiner Rechtsprechung zum förderungsfähigen Personenkreis iS des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) die Konventionsflüchtlinge den Asylberechtigten ebenfalls gleichgestellt. Die Rechtslage sei hier nicht anders zu beurteilen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.1996 und des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1996 zu verpflichten, ihre Teilnahme an einem Deutsch-Sprachlehrgang zu fördern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.

Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide durch Urteil vom 06.11.1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Teilnahme der Klägerin an einem Deutsch-Sprachlehrgang zu fördern. Es hat sich insbesondere auf die Entstehungsgeschichte sowie den Sinn und Zweck der Vorschriften über die Sprachförderung gestützt und die in bezug auf Flüchtlinge iS der Genfer Konvention vorhandene, nicht geplante Lücke im Gesetz (§ 62 a Abs 4 Satz 1 Nrn 2 und 3 AFG) zugunsten dieses Personenkreises geschlossen. Die erste Sprachförderungsverordnung (SprachförderungsVO) habe den Personenkreis des § 28 AuslG aF und damit auch Flüchtlinge iS der Genfer Konvention ausdrücklich eingeschlossen. Das habe sich durch das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) 1982 und durch Übernahme der Sprachförderungsregelungen in das AFG (§§ 62 a ff; Gesetz vom 14.12.1987 - BGBl I 2602 -) nicht geändert. Da auch Kontingentflüchtlinge zum förderungsfähigen Personenkreis gehörten, bestehe kein sachlicher Grund, die Konventionsflüchtlinge von der Sprachförderung auszuschließen, zumal letztere nach § 2 Abs 1 Nr 3 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) Anspruch auf eine unbeschränkte und unbefristete Arbeitserlaubnis hätten. Die Teilnahme an einem Sprachlehrgang sei aber regelmäßig die Grundlage dafür, daß ein anerkannter Flüchtling hier berufstätig sein könne. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 62 a Abs 4 Satz 1 AFG seien gegeben.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.12.1997 zugestellte Urteil am 08.01.1998 Berufung eingelegt und führt zur Begründung im wesentlichen aus: Der enge Wortlaut des § 62 a Abs 4 Satz 1 AFG lasse eine Erweiterung der Definition des Begriffs "Asylberechtigter" nicht zu. Die arbeitserlaubnisrechtliche Stellung der Konventionsflüchtlinge rechtfertige nic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge