Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Absetzung von Privatversicherungsbeiträgen. Beiträge zu einer vorgeschriebenen Hundehaftpflichtversicherung
Orientierungssatz
Die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen gem § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2 ist nur dann gegeben, wenn die Versicherung für einen Bedarf vorgeschrieben ist, der zum verfassungsrechtlich geschützten menschenwürdigen Existenzminimum gehört. Da die Tier- bzw Hundehaltung nicht zum geschützten Existenzminimum gehört, sind die Beiträge zu einer Hundehaftpflichtversicherung nicht gem § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2 vom Einkommen absetzbar. Eine Bedarfsdeckungsmöglichkeit ist jedoch über die Absetzung der Versicherungspauschale gem § 6 Abs 1 Nr 1 AlgIIV 2008 eröffnet.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.04.2015 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Umstritten ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, vom Einkommen der Klägerin im Zeitraum von Februar 2014 bis Juli 2014 Beiträge für zwei Hundehaftpflichtversicherungen abzusetzen.
Die 1961 geborene Klägerin ist Eigentümerin von zwei Hunden der Rasse Collie (N und D). Es handelt sich um "Große Hunde" iSd § 11 Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen (LHundG NRW), für die gem. § 11 Abs. 2 LHundG NRW eine Haftpflichtversicherung abzuschließen ist. Die Klägerin zahlt nach eigenen Angaben für N halbjährlich einen Haftpflichtbeitrag von 49,03 EUR (Fälligkeit: 17.09.2013, 11.03.2014, 17.09.2014) sowie für D jährlich einen Haftpflichtbeitrag von 71,86 EUR (Fälligkeit 12.08.2013) bzw. 75,46 EUR (Fälligkeit 11.09.2014). Die Klägerin erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum neben Arbeitslosengeld (5,77 EUR täglich) ein monatlich gleichbleibendes Einkommen von 450,00 EUR brutto (432,45 EUR netto) aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit bei der Q GmbH.
Mit Bescheid vom 30.01.2014 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Februar 2014 bis Juli 2014 von monatlich 204,35 EUR. Sie ging von einem Bedarf iHv 634,75 EUR monatlich aus (391,00 EUR Regelbedarf, Mietanteil: Kaltmiete 146,25 EUR, Nebenkosten 52,50 EUR, Heizkosten 45,00 EUR). Hiervon setzte sie ein bereinigtes Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit von 257,30 EUR (432,46 EUR - 70 EUR Freibetrag gem. § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II; - 30 EUR Versicherungspauschale gem. §§ 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II, 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-VO; - 33,23 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II; - 15,33 EUR allgemeine Werbungspauschale gem. §§ 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II, 6 Abs. 1 Nr. 3a AlgII-VO; - 21,60 EUR Fahrtkosten - drei Tage einfache Fahrt à 9 km - gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II, 6 Abs. 1 Nr. 3b AlgII-VO; - 5 EUR geförderte Altersvorsorgebeiträge gem. 11b Abs. 1 Nr. 4 SGB II) sowie Arbeitslosengeld von 173,10 EUR monatlich ab.
Im Widerspruchsverfahren bemängelte die Klägerin, dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, inwieweit die Hundehaftpflichtversicherungen bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens berücksichtigt worden seien. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.08.2014). Die Beiträge für die Hundehaftpflichtversicherungen seien nicht in Abzug zu bringen, da diese allein an die Haltung der Hunde geknüpft seien und keine mit der Erzielung des Einkommens verbundene Aufwendung darstelle. Es bestehe keine Notwendigkeit, wegen der Erwerbstätigkeit Hunde zu halten.
Am 29.08.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Aufwendungen für die Hundehaftpflichtversicherungen seien als Beiträge zu privaten Versicherungen gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II vom Einkommen abzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2014 zu verurteilen, im Zeitraum Februar 2014 bis Juli 2014 die Beiträge zu den Hundehalterhaftpflichtversicherungen in Höhe von insgesamt monatlich 14,61 EUR als gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass nach den von der Klägerin eingereichten Versicherungsunterlagen monatliche Beiträge für die Hundehaftpflichtversicherungen von 14,61 EUR anfielen. Die Klägerin hat auf Befragen klargestellt, dass sie bei der Q GmbH "alle anfallenden Arbeiten verrichte".
Mit Urteil vom 07.04.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2014 verurteilt, die Beiträge zu den Hundehaftpfl...