Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung von Erwerbsminderungsrente wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB 6 derjenige, der nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

2. Trotz seines aufgehobenen Leistungsvermögens hat derjenige keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, wenn die für die Rentengewährung erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt des festgestellten Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt sind. Hierzu ist nach § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB 6 erforderlich, dass der Antragsteller in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung nachweisen kann.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.04.2021; Aktenzeichen B 13 R 127/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.06.2016 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 00.00.1973 geborene Kläger war nach Abschluss der Schule der Kläger zunächst fünf Jahre lang als Imam tätig, dann absolvierte er eine Umschulung zum Steuerfachangestellten und arbeitete anschließend, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, in diesem Beruf. Von Oktober 2008 bis Ende des Jahres 2009 war er selbständig und erhielt einen monatlichen Gründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit. Sein auf Vormerkung dieser Zeit als Anrechnungszeit gerichtetes Begehren blieb auch im gerichtlichen Verfahren erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 17.01.2018, S 17 R 471/17). Vom 02.01.2010 bis zum 28.02.2011 ging der Kläger einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung nach, vom 01.03.2011 bis zum 11.04.2013 war er in einem Steuerberatungsbüro in C als angestellter Büroleiter tätig, zuletzt in einem Umfang von 24 Wochenstunden. Vom 16.04.2013 bis zum 12.05.2013 sowie vom 22.05.2013 bis zum 31.12.2013 weist sein Versicherungsverlauf eine Entgeltersatzleistung wegen Arbeitsunfähigkeit mit Beitragsanteil des Versicherten aus, am 21.05.2013 Arbeitsunfähigkeit ohne Leistungsbezug. Der Kläger bezog - mit kurzen Unterbrechungen - vom 22.05.2013 bis zum 12.09.2014 Krankengeld. Seit August 2014 ist er mehrfach zunächst kurzfristig, seit dem 01.10.2018 fast durchgehend (nur im Juli 2019 nicht) geringfügig beschäftigt gewesen, seit September 2016 allerdings nicht mehr versicherungspflichtig.

Der Kläger leidet seit Beginn des Jahres 2013 unter einer paranoiden Schizophrenie; er ist deshalb seit dem 22.01.2013 in Behandlung und seit dem 21.05.2013 arbeitsunfähig.

Bei dem Kläger ist seit dem 12.12.2013 ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt.

Am 17.02.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, seit zwei Jahren aufgrund einer seelischen Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten folgende Unterlagen vor:

- Eine Epikrise des Krankenhauses C, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in C1, vom 17.01.2014, in der es heißt, der Kläger habe sich nach freiwilliger notfallmäßiger Aufnahme vom 17.12.2013 bis zum 16.01.2014 wegen einer seit Januar 2013 bestehenden, ambulant nicht ausreichend behandelten paranoiden Schizophrenie in stationärer Behandlung befunden. Er habe die Behandlung am 16.01.2014 gegen ärztlichen Rat abgebrochen, weil er Besuch von seinem Onkel aus der Türkei bekommen habe.

- Ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. N vom 27.01.2014. Darin heißt es, der Kläger sei bei ihm seit dem 22.01.2013 in nervenärztlicher Therapie. Er sei aufgrund der paranoiden Schizophrenie nicht mehr in der Lage, irgendeine Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt zu verrichten. Bei der Erkrankung sei es zu oft auftretenden aggressiven Schüben gekommen; der Kläger ziehe sich aus dem alltäglichen Leben zurück. Die Hirnleistung des Patienten sei reduziert. Eine Besserung des Krankheitsbildes sei auch deshalb nicht zu erwarten, weil es auch nach dem Krankenhausaufenthalt nicht zu einer Besserung gekommen sei. Es handele sich um einen dauerhaften Zustand.

- Fünf Kurzgutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft/Bahn/See zur Frage des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit, datierend vom 04.06.2013, 09.07.2013, 06.08.2013, 14.10.2013 und 10.02.2014. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wird durchgehend und über den 10.02.2014 hinaus noch "längerfristig" bestätigt. An begründenden Diagnosen ist dort zunächst eine wahnhafte Störung mit Verfolgungswahn und akustischen Halluzinationen genannt, im Februar 2014 dann eine paranoide Schizophrenie.

- Befundberichte des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. N1 vom 17.10.2013 und des Internisten Dr. I vom 01.12.20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge