Entscheidungsstichwort (Thema)
nachgezahlte Beiträge aufgrund eines Schadensersatzanspruchs. rückwirkend zu zahlende Rentenleistung. Nichtanwendung der Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB 10
Orientierungssatz
1. Es kann nicht als gesichert gelten, dass § 44 Abs 4 SGB 10 einen allgemeinen Rechtsgrundsatz beinhaltet, wonach Sozialleistungen nicht über vier Jahre hinaus rückwirkend zu erbringen sind.
2. Auf rückwirkend zu zahlende Rentenleistungen wegen nachgezahlter Pflichtbeiträge iS von § 119 Abs 3 SGB 10 ist die Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB 10 nicht anzuwenden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger auf Grund nachträglich gezahlter Pflichtbeiträge i.S.v. § 119 Abs. 3 SGB X für den Zeitraum 01.08. bis 31.12.1994 eine Rentennachzahlung in Höhe von insgesamt 418,95 DM zusteht oder ob insoweit eine rückwirkende Leistung nach § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen ist.
Der ... 1944 geborene Kläger hatte am 15.07.1992 einen Arbeitsunfall. Die dabei erlittene Verletzung wurde u.a. durch den Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. M K behandelt. Dieser durchtrennte am 23.06.1993 den nervus tibialis links, was beim Kläger zu gesundheitlichen Folgeschäden führte.
Mit Bescheid vom 05.07.1996 bewilligte die Beklagte auf Grund eines sozialgerichtlichen Vergleichs dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 12.07.1994 ab dem 01.08.1994.
Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts A vom 02.07.1997 wurde u.a. festgestellt, dass Dr. K verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 23.06.1993 resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Die von Dr. K hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des OLG Köln vom 21.12.1998 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 03.09.1999 wies der Kläger die Beklagte auf die zivilgerichtlichen Urteile hin sowie darauf, dass der Haftpflichtversicherer des Dr. K einen bei ihm, dem Kläger, zu erwartenden Rentenschaden wegen Ansprüchen des Rentenversicherers nach § 119 SGB X verneine. Ende 1999 nahm die Beklagte für den Kläger vom Haftpflichtversicherer Beiträge zur Rentenversicherung i.S.v. § 119 SGB X für die Zeit ab dem 23.06.1993 ein.
Mit Bescheid vom 27.01.2000 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers auf Grund dieser Beiträge neu. Unter Hinweis auf § 44 Abs. 4 SGB X nahm sie eine Nachzahlung erst für die Zeit ab dem 01.01.1995 vor.
Der Kläger legte Widerspruch ein, mit dem er eine Nachzahlung bereits ab Rentenbeginn am 01.08.1994 begehrte. Dieser Rentenbeginn sei seinerzeit im sozialgerichtlichen Vergleich vereinbart worden. Wenn nunmehr Rückgriffsansprüche gegen Dr. K durchgesetzt worden seien, müsse sich dies ab dem Beginnzeitpunkt der ursprünglichen Rentenzahlung auswirken.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16.03.2000 mit, er habe erstmals mit seinem Schreiben vom 03.09.1999 auf den Sachverhalt hingewiesen, der zur Neuberechnung der Rente geführt habe. Somit habe die Neuberechnung unter Beachtung von § 44 Abs. 4 SGB X erst ab dem 01.01.1995 erfolgen können.
Der Kläger erwiderte hierauf, er habe unmittelbar nach dem Urteil des OLG Köln mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer Kontakt aufgenommen. Nach Abschluss des zivilgerichtlichen Verfahrens seien Ansprüche Kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen. Der Haftpflichtversicherer habe ihn vollständig von Nachteilen freistellen müssen, welche durch den Behandlungsfehler des Dr. K entstanden seien. Folglich könne eine Rentenberechnung nicht zu seinen Lasten vorgenommen werden.
Die Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 03.04.2000, § 44 Abs. 4 SGB X normiere eine materiell-rechtliche Einschränkung für nachträglich zu erbringende Sozialleistungen. Über den für eine Nachleistung offenen Vierjahreszeitraum hinaus entfalte die Vorschrift anspruchsvernichtende Wirkung. Insoweit bestehe auch kein Anspruch auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes. Soweit der Kläger Ansprüche für die Zeit vor dem 01.01.1995 geltend mache, könne er sich nur zivilrechtlich an den Schadensverursacher halten.
Der Kläger erwiderte, sein Anspruch gegen Dr. K sei nach § 119 SGB X auf die Beklagte übergegangen, welche die vollen Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend machen könne. Für ihn sei der zivilrechtliche Weg wegen des Anspruchsübergangs verschlossen. Sein Versuch, den Rentenschaden gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, sei ohne Erfolg geblieben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf ihre Schreiben vom 16.03. und 03.04.2000 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.06.2000 Klage erhoben und die Ansicht vertreten, für Ansprüche, welche aus nachgezahlten Pflichtbeiträgen i.S.v. § 119 Abs. 3 SGB X resultierten, sei § 44 Abs. 4 SGB X nicht einschlägig.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 27.01.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2000 abzuändern und die Beklagte zu verur...