Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Beschäftigungslosigkeit. Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 28 SGB 9. geringfügige Beschäftigung. Arbeitsentgeltzahlung. Auseinanderfallen des leistungs- und beitragsrechtlichen Beschäftigungsbegriffes. Minderung der Leistungsfähigkeit. Wiedereingliederungsmaßnahme. stufenweise Wiedereingliederung. Arbeitsverhältnis. Rechtsverhältnis eigener Art
Orientierungssatz
1. Für die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28 SGB 9 besteht zwischen dem Versicherten und dem Unternehmer kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art iS von § 305 BGB (vgl BAG vom 28.7.1999 - 4 AZR 192/98 = BAGE 92, 140 und vom 29.1.1992 - 5 AZR 37/91 = BAGE 69, 272).
2. Für die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28 SGB 9 besteht auch kein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.
3. Aus der Formulierung des § 27 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3 lässt sich nicht ableiten, dass im Rahmen der Wiedereingliederung mehr als nur geringfügig Beschäftigte in einem Beschäftigungsverhältnis iS von § 118 Abs 2 SGB 3 aF stehen. Auch auf die Frage der Zahlung von Arbeitsentgelt während der Eingliederung kommt es nicht an.
4. Die stufenweise Wiedereingliederung stellt eine derjenigen Fallgruppen dar, bei denen der leistungs- und der beitragsrechtliche Beschäftigungsbegriff jedenfalls in der Arbeitslosenversicherung nach Sinn und Zweck der Regelung auseinanderfallen können, mit der Folge, dass ein beitragsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, ohne dass gleichzeitig auch ein leistungsrechtliches und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt.
5. Eine Wiedereingliederung nach § 28 SGB 9 führt nicht zum Wegfall der Leistungsvoraussetzungen des § 125 Abs 1 SGB 3. Erst der erfolgreiche Abschluss der Wiedereingliederung mit der vollständigen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung führt das Ende der Leistungsminderung herbei.
Normenkette
SGB III § 27 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 118 Abs. 1-2, § 125 Abs. 1, § 117 Abs. 1 Nr. 1, §§ 126, 330 Abs. 2; SGB IX §§ 28, 4 Abs. 1 Nrn. 2-3, §§ 44, 8; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 3; SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1; SGB V § 74; SGB I § 2 Abs. 2; BGB §§ 305, 315 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 20.10. bis zum 14.11.2004.
Die Klägerin arbeitete seit 1976, zuletzt als Heimleiterin, in der Diakonie N, Seniorenzentrum L. Ab dem 28.01.2003 war sie arbeitsunfähig krank, in erster Linie wegen Gangstörungen aufgrund einer Gefäßerkrankung. Bis zum 27.07.2004 (Datum der Erschöpfung des Anspruchs) bezog sie Krankengeld (Krg). Am 13.05.2004 meldete sie sich mit Wirkung zum 28.07.2004 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihr Alg, zuletzt in Höhe von 291,71 EUR wöchentlich (Bescheid vom 30.08.2004). Eine ärztliche Untersuchung der Klägerin auf Veranlassung der Beklagten fand nicht statt. Aufgrund Wiedereingliederungsplans des die Klägerin behandelnden Arztes T führte die Klägerin ab dem 20.09.2004 eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme (sog. Hamburger Modell) bei ihrer alten Arbeitgeberin durch. Dabei war sie im Umfang von zunächst vier, ab dem 21.10.2004 sechs und ab dem 15.11.2004 acht Stunden täglich tätig. Gehaltszahlungen der Arbeitgeberin erfolgten bis zum 14.11.2004 nicht. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Alg ab dem 20.10.2004 auf (Bescheid vom 20.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004), weil die Klägerin wegen der Aufnahme einer Beschäftigung nicht mehr beschäftigungs- und daher nicht mehr arbeitslos gewesen sei (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung [a.F.]).
Mit der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit bis zum 14.11.2004 in Abrede gestellt. Ein Wiedereingliederungsverhältnis sei vielmehr ein Vertrag eigener Art, der anders als ein Beschäftigungsverhältnis nicht dem Austausch von Arbeitsleistung und -entgelt, sondern der Rehabilitation diene. Die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhten. Dementsprechend habe sie auch kein Arbeitsentgelt erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 20.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides berufen.
Das SG hat eine Auskunft der Diakonie N eingeholt. Sodann hat es der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 15.12.2005). Die Arbeitslosig...