Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz. Festnahmehandlung. persönlicher Einsatz. Verwirklichung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Unfallversicherungsschutzes gemäß § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst c, wenn zu Beginn der körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Opfer und dem Täter der persönliche Einsatz des Opfers zwecks Verwirklichung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs nicht zu erkennen war.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 2) einen entschädigungspflichtigen Unfall erlitten hat.
Der 1940 geborene Kläger zu 2), ein Dipl.-Ingenieur, ist als Selbständiger nicht krankenversichert. Er hielt sich in der Nacht zum 28.4.1990 von ca. 21 Uhr bis 2.40 Uhr in seinem Stammlokal "M. Treff" in M. auf. In der Jackenbrusttasche trug er über 30000,- DM bei sich. Um 22 Uhr traf der 1963 geborene Zeuge S. L., damals Student der Fachhochschule G., in dem Lokal ein. Kurz vor dem Kläger zu 2) verließ der angetrunkene Zeuge die Gaststätte, öffnete auf einem nahegelegenen Parkplatz die Beifahrertür seines KFZ, entnahm ein Messer und zerstach den linken Vorderreifen des nebenstehenden Porsche des Klägers zu 2). Währenddessen näherte sich der Kläger zu 2). Er hörte ein zischendes Geräusch, entdeckte den an seinem Wagen hockenden Zeugen und schrie ihn sinngemäß mit den Worten: "Du bist wohl verrückt geworden! Was machst Du da?" an. Nach Darstellung des Klägers zu 2) schnellte der Zeuge aus der Hocke hoch und stach ihn mit dem Messer in den Bauch. Erst danach habe er sich auf den Zeugen gestürzt. Nach Darstellung des Zeugen hat der Kläger zu 2) unvermittelt auf ihn eingeschlagen, noch während er am Boden vor dem Porsche hockte. Erst dann sei es zu dem Messerstich gekommen. Im Verlauf des Kampfes zog sich der Zeuge leichte und der unbewaffnete Kläger zu 2) durch weitere Messerstiche schwere Verletzungen zu. Schließlich flüchtete der Kläger zu 2) zurück in das Lokal und rief um Hilfe. Er beschrieb den Täter und forderte die Anwesenden zur Verfolgung des bereits nach Hause gefahrenen Zeugen auf. Der Kläger zu 2) wurde notfallmäßig versorgt und befand sich bis zum 27.6.1990 und vom 15.10. bis 2.11.1990 wegen der Verletzungsfolgen in stationärer Behandlung.
Am 9.5.1990 wurde der Zeuge verhaftet, nachdem er von dem Kläger zu 2) auf einem Foto identifiziert worden war. Im Ermittlungsverfahren konnte die Motivation des Zeugen nicht geklärt werden. Eine zunächst angenommene Raubabsicht wurde nicht erhärtet. Der Zeuge gab an, sich die Reifenstecherei nicht erklären zu können, um dann in späteren Vernehmungen Verärgerung über den zu dicht geparkten Porsche anzuführen.
Bei polizeilichen Befragungen am 29.4. und 11.5.1990 erklärte der Kläger zu 2), er habe den Zeugen umgehend angesprochen und sei an ihn herangetreten. Er sei nicht nur überrascht, sondern auch wütend gewesen, denn er habe gemeint, daß man an seinem Wagen etwas kaputt machte. In diesem Moment habe sich der Zeuge zu ihm umgedreht und sofort auf ihn eingestochen. Er sei durch diesen Angriff so wütend geworden, daß er den Zeugen gepackt, sich zur Wehr gesetzt und Faustschläge verteilt habe. Es sei nun zu einem regelrechten Zweikampf gekommen, in dessen Verlauf der Täter immer wieder auf ihn eingestochen habe. In der Beschuldigtenvernehmung vom 9.5.1990 gab der Zeuge an, nicht verstanden zu haben, was der Kläger zu 2) gerufen habe. Er habe nur deshalb zugestochen, damit dieser mit seinen Schlägen aufhöre.
Das Landgericht Hagen (LG) verurteilte den Zeugen am 21.1.1991 wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten. Dabei sah das LG die Einlassung des Zeugen, der Kläger zu 2) habe mit den Tätlichkeiten begonnen, als widerlegt an. Das Gericht erklärte sich das Tatgeschehen mit einer alkoholbedingten Enthemmung des Zeugen und schloß einen bedingten Tötungsvorsatz aus.
Am 30.4.1991 beantragte der Kläger zu 2) erstmals die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Die Leistung wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes Köln vom 27.1.1992 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers zu 2) versagt. Mit Bescheid vom 19.2.1996 stellte das Versorgungsamt S. auf einen weiteren Antrag vom 29.12.1994 folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 OEG fest:
"Narben im Bereich der Oberlippe, am Kopf, Hals, an der rechten Hand, am Oberbauch und der linken Flanke, Teilverlust des Dünndarms und des Netzes, Nierenbeckenplastik links".
Diese Gesundheitsstörungen bedingten keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 v.H.. (Grundlage: Versorgungsärztliches Gutachten von Dr. W. vom 2.2.1996 mit der Annahme einer schädigungsbedingten MdE um 20 v.H.). Ab 1.1.1995 bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung, der jedoch gemäß § 65 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) insoweit ruhe, als voraussichtlich entsprechende Leistungen aus der geset...