Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz. abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Jagdaufseher
Orientierungssatz
1. Wird die Jagd im Rahmen eines durch persönliche Abhängigkeit gekennzeichneten Arbeits- oder Dienstverhältnisses zum Jagdunternehmer (hier: als nebenberuflicher Jagdaufseher) ausgeführt, so liegt eine den Versicherungsschutz ausschließende Jagdgasteigenschaft nicht vor (Vgl BSG vom 30.1.1985 - 2 RU 1/84 = Jagdrechtliche Entscheidungen XV Nr 40).
2. Für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO ist es nicht erforderlich, daß der Jagdausübende als ein von der zuständigen Behörde gemäß § 25 Abs 1 BJagdG bestätigter Jagdaufseher tätig war.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob der Klägerin zu 1) Witwenrente und dem Kläger zu 2) Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem verstorbenen J... B... (im folgenden als B. bezeichnet) zusteht.
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, der am ... 1978 geborene Kläger zu 2) der Sohn des 1938 geborenen und am 17.05.1993 verstorbenen B., der Inhaber eines Textilgeschäftes in P... und Schwager des 1920 geborenen Land- und Forstwirtes H... S...-I... (Zeuge) war. Der Zeuge war und ist Inhaber eines Jagdreviers und Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von seinerzeit bereits 70 v.H. sowie dem Merkzeichen "G". Er hatte B. einige Zeit vor dessen Tode damit beauftragt, als Jagdaufseher für ihn tätig zu sein. Im Winter 1992 übertrug er B. die Leitung einer Treibjagd im Eigenjagdrevier. B. verrichtete verschiedene im Jagdrevier des Zeugen anfallende Arbeiten. Als Gegenleistung durfte er gelegentlich jagen und das Wildbret des von ihm erlegten Flugwildes, eines Knopfbockes sowie eines Frischlings oder schwachen Überläufers für sich behalten. Schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Zeugen und B., der Inhaber eines bis zum 31.03.1993 gültigen Jagdscheins war, bestanden nicht. Andere Personen arbeiteten nicht im Jagdrevier des Zeugen.
Am 01.05.1993 verließ B. gegen 10.00 Uhr seine Wohnung und begab sich in das Jagdrevier, um auf Jungfüchse eines bestimmten Fuchsbaus am Sorpesee anzusitzen. Der Zeuge hatte ihm zuvor den Auftrag erteilt, diese Jungfüchse wegen der Gefahr von Tollwut und Fuchsbandwurm abzuschießen.
Nachdem B. nicht zur vorhergesagten Zeit zu Hause erschienen war, setzte sich die Klägerin zu 1) mit dem Zeugen in Verbindung, der sich daraufhin zusammen mit seinem Schwiegersohn in das Jagdrevier begab. Dort wurde B. gegen 13.30 Uhr etwa 17 m vom Fuchsbau entfernt mit einer schweren Schußverletzung im Bereich des Kopfes aufgefunden. Er wurde in das Knappschafts-Krankenhaus B...-L... eingeliefert, wo er am 17.05.1993 an den Folgen der Schußverletzung verstarb. Angaben zum Hergang des Ereignisses hatte er nicht mehr machen können. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben keine Hinweise auf Suizid oder Fremdverschulden.
Auf die von dem Zeugen unter dem 18.05.1993 erstattete Unfallanzeige hin leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog von der Kreispolizeibehörde M... die polizeilichen Ermittlungsakten sowie vom Knappschafts-Krankenhaus B... über die stationäre Behandlung des B. vom 01.05. bis 17.05.1993 Berichte bei und hörte am 07.10.1993 die Klägerin zu 1) sowie den Zeugen an.
Mit Bescheiden vom 23.11.1993 lehnte die Beklagte u.a. der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) gegenüber die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Todes des B. ab, weil dieser nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorben sei. Zur Begründung führte sie aus, B. sei weder als Jagdpächter noch als abhängig Beschäftigter des Zeugen versichert gewesen. Nach der geltenden Rechtsprechung habe er den Unfall als Jagdgast erlitten und sei daher gemäß § 542 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei gewesen. Nach dieser Vorschrift bestehe Versicherungsfreiheit u.a. für Personen, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten unentgeltlich oder entgeltlich erteilten Jagderlaubnis die Jagd ausübten. Diese Personen seien vom Gesetzgeber ausdrücklich als Jagdgäste bezeichnet worden. Ihre Tätigkeit sei nach dem Wortlaut des Gesetzes durch die Jagdausübung geprägt. Den Begriff der Jagdausübung habe das Bundessozialgericht (BSG) stets den einschlägigen Vorschriften des Jagdrechtes entnommen, weil es einen hiervon unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Jagdausübung nicht gebe. Danach erstrecke sich die Jagdausübung auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild (§ 1 Abs. 4 des Bundesjagdgesetzes - BjagdG -). Zum Wild gehörten nach der Definition des Gesetzes die dem Jagdrecht unterliegenden wildlebenden Tiere. Das Ansitzen auf die Jungfüchse, die nach § 2 BjagdG zu den jagdbaren Tieren gehörten, sei somit Jagdausübung. Damit sei B. beim Erlegen jagdbaren Wildes zu Tode gekommen. Nach der Rechtsprechung des BSG werde stets ausschließlich die zum Unfall führende Tätigkeit unabhängig von der sonstigen Betätigung des Verletzten...