Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreißigjährige Verjährung der Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen
Orientierungssatz
1. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 SGB 4 nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Bedingter Vorsatz reicht hierbei aus.
2. Damit kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber die Nachversicherungspflicht zumindest für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber gleichwohl billigend in Kauf genommen hat. Beruht das Unterlassen der Beitragsabführung auf Unkenntnis des zuständigen Mitarbeiters, so ist entscheidend, ob die organisatorischen Maßnahmen für den notwendigen Informationsfluss bestanden haben. Ist das nicht der Fall, muss sich der Arbeitgeber das Wissen des einzelnen Mitarbeiters, gleichgültig auf welcher Ebene, zurechnen lassen.
3. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet es, die notwendigen Maßnahmen zur Verwirklichung der Nachversicherung zu gewährleisten.
4. Hat es sich bei dem Nachversicherungsfall nicht um einen unüblichen Vorgang gehandelt, so ist bedingter Vorsatz beim Unterlassen der Nachversicherung auch dann ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Nachversicherung in der Mehrzahl der auftretenden Fälle ordnungsgemäß durchgeführt hat.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.8.2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 52.182,33 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen zu Gunsten der Beigeladenen in Höhe von 52.182,33 EUR.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost. Mit Schreiben vom 22.12.1994 an die Direktionen der Deutschen Bundespost wies sie darauf hin, dass Nachversicherungen künftig bei einer einzurichtenden Zentralstelle für Nachversicherungen, dem später so bezeichneten Sachgebiet Nachversicherung (SgNV), durchgeführt würden. Personalakten des betroffenen Personenkreises seien mit einem Formblatt dem SgNV zu übersenden. Es werde gebeten sicherzustellen, dass die Entlassungsvorgänge aller unversorgt ausscheidenden Beamtinnen bzw. Beamten vorgelegt würden. Diese seien bei ihrem Ausscheiden über die Nachversicherung zu informieren. Ein Merkblatt und eine Erklärung zur Nachversicherung seien ihnen nachweislich auszuhändigen oder der jeweiligen Entlassungsverfügung beizufügen. Eine Arbeitsanweisung aus dem Jahr 1996 schrieb zudem die Übersendung der Personalvorgänge an das SgNV per Einschreiben vor.
Die Beigeladene war bei der Deutschen Bundespost bzw. der Klägerin als Nachfolgeunternehmen seit dem 1.9.1980 als Beamtin versicherungsfrei beschäftigt, wobei sie vom 1.9.1980 bis zum 31.8.1982 ihre Ausbildung absolvierte, vom 28.8.1992 bis zum 27.8.1993 sowie vom 7.12.1993 bis zum 10.10.1996 Erziehungsurlaub und vom 11.10.1996 bis zum 30.9.1997 Urlaub ohne Bezüge hatte. Auf eigenen Antrag wurde sie mit Ablauf des 31.10.1997 ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Dienst entlassen. Zuvor war sie für den Monat Oktober unter Beurlaubung vom Beamtenverhältnis in ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gewechselt, für das eine Gewährleistungserstreckung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestand. Dies ermöglichte die Auszahlung eines "Veränderungsgeldes". Im Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden aus dem Dienst erhielt die Beigeladene von der Klägerin das Merkblatt und die Erklärung zur Nachversicherung, die sie ausfüllte.
Mit Schreiben vom 13.2.2005 bat die Beigeladene die Beklagte um Kontenklärung. Dabei wies sie darauf hin, dass sie über Nachversicherungsleistungen der Klägerin bislang von der Beklagten noch keine Mitteilung erhalten habe. Die Klägerin teilte die Dienstzeiten der Beigeladenen mit und berief sich hinsichtlich der Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen auf die Einrede der Verjährung.
Mit Bescheid vom 30.5.2005 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 52.182,33 Euro für die Beigeladene für die Zeiten vom 1.9.1980 bis 27.8.1992, 28.8.1993 bis 6.12.1993 sowie vom 1.10.1997 bis zum 31.10.1997 zu zahlen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Es gelte die 30jährige Verjährungsfrist. Denn die Klägerin habe die Nachversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten. Jeder Personalsachbearbeiter eines öffentlichen Dienstherrn habe den Eintritt der Fälligkeit der Beiträge beurteilen und erkennen müssen. Die insoweit offensichtliche Amtspflichtverletzung eines Mitarbeiters entbinde die Klägerin nicht von ihren Pflichten gegenüber der Versichertengemeinschaft und der ausgeschiedenen Beschäftigten.
Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, es handele sich um einen Einzelfall. Im Übrigen entstehe der Beigeladenen kein Nachteil, da bereits die Feststellung des Nachversicherungsverhältnisses zur Anerkennung von Beitragszeiten durch den Rentenversiche...