Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Ablehnung eines Überprüfungsantrags wegen Ablaufs der verkürzten Ausschlussfrist nach § 44 Abs 4 SGB 10 iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB 10, da der Grundsicherungsträger wegen dem Ablauf der einjährigen Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 S 1 SGB 10 iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 nicht verpflichtet war, Grundsicherungsleistungen rückwirkend zu erbringen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.07.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 57/21 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zwei bestandskräftige abschließende Bewilligungsbescheide (über den Leistungszeitraum vom 01.07.2016 bis 31.12.2016) anlässlich eines Überprüfungsantrages der Kläger aus dem Jahr 2018 gemäß § 44 SGB X zurücknehmen muss, oder ob dem die einjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegensteht.

Mit Bescheid vom 23.10.2015 (in Gestalt der Änderungsbescheide vom 02.12.2015, 09.05.2016 und 30.01.2017) bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.10.2016. Für Juli 2016 bewilligte er Leistungen in Höhe von 621,96 EUR, für August 2016 in Höhe von 852,44 EUR und für die Monate September und Oktober 2016 monatlich in Höhe von 621,96 EUR.

Der Bescheid vom 23.10.2015 enthält den Hinweis: "Sie erhalten erneut einen Bescheid, sobald über Ihren Antrag endgültig entschieden werden kann und Ihr Anspruch von den hier bewilligten vorläufigen Leistungen abweicht. Die bis dahin gezahlten vorläufigen Leistungen werden dabei auf die zustehende Leistung angerechnet. Gegebenenfalls sind zu viel gezahlte Leistungen zu erstatten." Die Bescheide vom 02.12.2015 und 09.05.2016 enthalten jeweils den Hinweis: "Sie erhalten erneut einen Bescheid, sobald über Ihren Antrag endgültig entschieden werden kann und Ihr Anspruch von den hier bewilligten abweicht. Die bis dahin gezahlten vorläufigen Leistungen werden dabei berücksichtigt. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie gegebenenfalls zu viel gezahlte Leistungen erstatten müssen."

Mit Bescheid vom 06.10.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 monatlich in Höhe von 525,44 EUR. Der Bescheid enthält den Hinweis: "Bei der abschließenden Entscheidung werden die bis dahin gezahlten vorläufigen Leistungen auf die zustehenden Leistung angerechnet. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen werden. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten (§ 41a Absatz 6 SGB II)."

Mit Bescheid vom 05.04.2017 bewilligte der Beklagte den Klägern abschließend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.10.2016. Mit Bescheid vom 06.07.2017 bewilligte er den Klägern abschließend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis 31.12.2016. Die Kläger erhoben hiergegen jeweils keinen Widerspruch, die Bescheide wurden formell bestandskräftig. Beide Bescheide enthalten den Hinweis: "Sie erhalten die abschließende Bewilligung zum vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 23.10.2015" bzw. "zum vorläufigen Bescheid vom 30.01.2017".

Mit zwei Bescheiden vom 15.02.2018 machte der Beklagte eine Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs unter anderem für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 geltend. Hiergegen sind vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klageverfahren der Klägerin und des Klägers unter den Aktenzeichen S 41 AS 899/18 und S 41 AS 891/18 anhängig, die derzeit ruhen. Mit Bescheiden vom 24.07.2018 machte der Beklagte eine Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs unter anderem für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 geltend; die diesbezüglichen zwei Widerspruchsverfahren ruhen derzeit. Der Beklagte machte mit den beiden Bescheiden vom 15.02.2018 und 24.07.2018 Erstattungsforderungen gegenüber jedem der beiden Kläger monatlich in Höhe von 173,32 EUR bzw. 172,55 EUR geltend.

Am 02.08.2018 beantragten die Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 05.04.2017 und 06.07.2017 für die Zeiträume vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 und vom 01.11.20...

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