Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Sicherstellung. ärztlicher Notfalldienst. Kostenumlage. hälftige Heranziehung freiwillig von der Teilnahme wegen Alters befreiter Vertragsärzte. Pflicht zur zeitlich umfassenden vertragsärztlichen Versorgung. Erfüllung durch ärztlichen Notfalldienst. keine Beschränkung der Beitragserhebung auf teilnehmende Ärzte. Äquivalenzprinzip. keine Bedenken bezüglich pauschal hälftiger Heranziehung befreiter Ärzte aufgrund der fehlenden Quantifizierbarkeit des Vorteils. kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz

 

Orientierungssatz

1. Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Arzt hat grundsätzlich in zeitlicher Hinsicht, dh auch in Zeiten außerhalb der Sprechstunden, für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Durch den von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten ärztlichen Notfalldienst wird der Arzt in die Lage versetzt, dieser Verpflichtung nachzukommen, ohne rund um die Uhr verfügbar zu sein.

2. Der Vorschrift des § 81 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 kann nicht entnommen werden, dass eine Beitragserhebung zur Deckung der Kosten des Notfalldienstes nur gegenüber den am Notfalldienst teilnehmenden Ärzten erlaubt sei.

3. Das Äquivalenzprinzip erfordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Beitragspflichtigen ein Zusammenhang besteht. Ausreichend ist, dass die Beitragshöhe nicht in einem groben Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die der Beitrag abgelten soll.

4. Angesichts des trotz fehlender Einnahmemöglichkeiten aus dem ärztlichen Notfalldienst auch für aufgrund Alters freiwillig von der Notfalldienstteilnahme befreite Ärzte weiterhin bestehenden Vorteils, durch den ärztlichen Notfalldienst der auch für sie geltenden vertragsärztlichen Pflicht zur - in zeitlicher Hinsicht - umfassenden vertragsärztlichen Versorgung nachkommen zu können, begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, diese weiterhin zur Kostenumlage heranzuziehen, wobei der Ansatz einer hälftigen Umlage angesichts der fehlenden Quantifizierbarkeit des verbleibenden Vorteils nicht willkürlich erscheint.

5. Die betreffende Notfalldienstordnung behandelt Ungleiches ungleich, indem sie die Höhe der Kostenumlage an die Teilnahme am Notfalldienst anknüpft und für Ärzte, die von der Teilnahme befreit sind, eine hälftige Reduktion vorsieht, so dass auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht besteht. .

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.05.2022; Aktenzeichen B 6 KA 27/21 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst befreite Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Kostenumlage.

Die am 00.00.1952 geborene Klägerin ist in Lengerich niedergelassen und nimmt seit 1990 als Hausärztin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 11. August 2016 teilte sie der Beklagten mit, dass sie nicht mehr am ärztlichen Notfalldienst teilnehmen wolle. Daraufhin erließ die beklagte Kassenärztliche Vereinigung am 17. August 2016 einen Bescheid, in dem sie unter Bezugnahme auf die Gemeinsame Notfalldienstordnung der Beklagten und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe vom 11. November 2009/20. März 2010 (GNO, Westf. Ärzteblatt 4/2010, S. 79), geändert am 3. Dezember 2011/24. März 2012 (Westf. Ärzteblatt 5/2012, S. 49) Folgendes ausführte:

"Gemäß § 11 Abs. 3 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der ÄKWL und KVWL befreie ich Sie ab 10. Mai 2017 von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst. Damit reduziert sich Ihre Kostenbeteiligung am Notdienst auf 50%."

Mit ihrem am 16. September 2016 erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen eine im Bescheid enthaltene Entscheidung über die Kostenbeteiligung am Notdienst. Die Kosten des Notfalldienstes hätten die dazu herangezogenen Ärzte zu tragen. Damit seien alle Kosten gedeckt. Es sei nicht nachzuvollziehen, inwieweit Kosten entstünden, die von den von der Teilnahme befreiten Ärzten zu tragen wären. Weiter werde angezweifelt, ob die Heranziehung der teilnahmebefreiten Ärzten auf einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhe. Auch wenn die hälftige Kostenumlage erstmalig mit einem noch zu erlassenden Honorarbescheid erhoben werde, sei darin lediglich die Umsetzung der bereits im Grundbescheid vom 17. August 2016 geregelten Kostenbeteiligung von 50% zu sehen, weshalb dieser von der Klägerin angefochten werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2017 als unbegründet zurück. Die Einrichtung des ärztlichen Notfalldienstes sei eine gesetzliche Aufgabe der Beklagten, die ihre Mitglieder von einer Dienstbereitschaft außerhalb der Praxiszeiten entlaste. Mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung übernehme der Vertragsarzt die Verpflichtung, in zeitlicher Hinsi...

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