Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Herabsetzungsbescheid. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Bekanntgabe des Bescheids nach Herabsetzungsdatum. unzulässige Rückwirkung. Teilrechtswidrigkeit. zeitliche Teilbarkeit des Bescheids. keine Rechtswidrigkeit des Gesamtbescheids. Wirksamkeit ab Bekanntgabe. sozialgerichtliches Verfahren. nicht angenommenes Teil-Anerkenntnis. Teil-Erledigung des Rechtsstreits

 

Orientierungssatz

1. Ein GdB-Aufhebungs- und Herabsetzungsbescheid ist nicht wegen fehlender Teilbarkeit in zeitlicher Hinsicht als insgesamt rechtswidrig anzusehen (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 25.2.2015 - L 13 SB 90/13).

2. Die Frage der teilweisen Rechtswidrigkeit von Aufhebungsbescheiden ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 4.7.1989 - 9 RVs 3/88 = BSGE 65, 185 = SozR 1300 § 48 Nr 57 und vom 9.9.1986 - 7 RAr 47/85 = SozR 1300 § 48 Nr 28) als geklärt anzusehen (vgl auch BSG vom 6.3.2020 - B 9 SB 86/19 B).

3. Ein Teil-Anerkenntnis durch die beklagte Behörde, mit dem ein angefochtener Bescheid teilweise aufgehoben wird, erledigt den Rechtsstreit in diesem Umfang, ohne dass es einer Annahme seitens des Klägers bedarf.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren über die Herabsetzung des GdB von 100 auf 40.

Mit Bescheid vom 09.01.2013 stellte die Beklagte auf Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme sowie unter Rücknahme eines Bescheides vom 16.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2010 bei dem 1959 geborenen Kläger für die Zeit ab 31.05.2010 einen GdB von 100 fest. Diese Feststellung beruhte im Wesentlichen auf einer beim Kläger aufgetretenen Darmkrebserkrankung und deren Folgen.

Im Dezember 2015 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein und holte zunächst Befund- und Behandlungsberichte ein. Im Rahmen einer gutachtlichen Stellungnahme vom 05.01.2016 ging die beratende Ärztin der Beklagten davon aus, dass im Hinblick auf die Darmkrebserkrankung nach Ablauf der Heilungsbewährung nur noch ein Einzel-GdB von 20 angemessen sei. Im Übrigen leide der Kläger unter einer Polyneuropathie mit einem Einzel-GdB von 20 und einem Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 10. Der Gesamt-GdB belaufe sich auf 30.

Im Rahmen der von der Beklagten veranlassten Anhörung teilte der Kläger mit, dass nach seiner Einschätzung die Herabstufung des GdB nicht angemessen sei. Die verbliebenen Gesundheitsstörungen, insbesondere nach durchlaufener Krebserkrankung mit Chemotherapie sowie die entsprechenden psychischen Belastungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Anwaltlich vertreten ergänzte der Kläger, dass auch orthopädische Beeinträchtigungen zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte veranlasste eine weitere gutachtliche Stellungnahme durch ihren ärztlichen Berater Dr. B. Dieser hielt daran fest, dass der Gesamt-GdB des Klägers nach Ablauf der Heilungsbewährung mit 30 zu bewerten sei.

Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 09.01.2013 auf und setzte den GdB des Klägers für die Zeit ab 08.08.2016 auf 30 herab. In den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 09.01.2013 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung im Sinne einer wesentlichen Besserung eingetreten (Bescheid vom 08.08.2016).

Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf seine Ausführungen im Rahmen der Anhörung. Darüber hinaus legte er Bescheinigungen des ihn behandelnden onkologischen Zentrums sowie seiner behandelnden Ärzte für Allgemeinmedizin vor. Mitgeteilt wurden schwankende Blutdruckwerte mit Neigung zu Dysregulation und Schwindel. Aufgrund der Krebserkrankung bestehe zudem eine psychische Instabilität mit Schlafstörungen und Erschöpfung. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Psych. Dr. N. Dr. N hielt in seinem nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstatteten Gutachten vom 27.01.2017 zusammenfassend einen Gesamt-GdB von 30 für angemessen.

Daraufhin wies die Bezirksregierung N1 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017).

Mit seiner am 16.06.2017 bei dem SG Köln Klage erhobenen Klage hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, die Beklagte habe seine Teilhabeeinschränkungen nicht hinreichend berücksichtigt.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2017 aufzuheben und zu seinen Gunsten einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gestützt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Rheumatologie und...

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