Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Antrag auf Vertagung. erwartetes Gutachten aus einem anderen Verfahren. nochmalige Sachverständigenanhörung nach Einholung eines Gutachtens von Amts wegen. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. posttraumatische Belastungsstörung. kurzer Unfall mit Gehirnerschütterung und Bewusstlosigkeit. weitere Gesundheitsschädigungen. Gesamt-GdB

 

Orientierungssatz

1. Es besteht keine Notwendigkeit der Vertagung, wenn nicht ersichtlich ist, dass ein - noch unbekanntes - Gutachten in einem anderen sozialgerichtlichen Verfahren, das zudem zu einem anderen Streitgegenstand erstattet wird, Einfluss auf die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilende Entscheidungsreife des vorliegenden Verfahrens haben kann.

2. Die nochmalige Anhörung desselben Gutachters bzw die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme ist nicht allein deswegen geboten, weil zwischenzeitlich zusätzliche Gutachten von Amts wegen eingeholt worden sind.

3. Das Erleben eines Unfalls, bei welchem das Opfer lediglich eine Platzwunde am Hinterkopf sowie eine Gehirnerschütterung mit einer kurzen, eine Sekunde andauernden Schreckreaktion mit anschließender Bewusstlosigkeit erlitten hat, genügt nicht für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

4. Zur Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) bezüglich weiterer Gesundheitsbeeinträchtigungen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.09.2015; Aktenzeichen B 9 SB 41/15 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX).

Der 1974 geborene Kläger erlernte den Beruf des Fliesenlegers und arbeitete später u. a. als Produktionsmitarbeiter bei der Firma I in C, wo er am 01.04.2004 bei einem Arbeitsunfall eine Platzwunde am Hinterkopf erlitt. In der Zeit vom 6.12.2004 bis 6.1.2005 wurde der Kläger, der sich 1999 wegen einer Panikstörung in stationärer Behandlung befunden hatte, in den Rheinischen Kliniken C des Landschaftsverbandes Rheinland stationär behandelt (vergleiche Arztbrief vom 27.1.2005 von Prof. Dr. I, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der vorgenannten Kliniken sowie Dr. C, Oberarzt der vorgenannten Abteilung).

Mit Antrag vom 28.11.2006 begehrte der Kläger beim damals zuständigen Versorgungsamt L die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und ihrer gutachterlichen Auswertung stellte das Versorgungsamt L mit Bescheid vom 22.01.2007 beim Kläger einen GdB von 20 fest. Dabei ging es von einem Einzel-GdB von 20 für das beim Kläger bestehende ängstlich-depressive Syndrom, von 10 für eine chronische Magenschleimhautentzündung und von 10 für Halswirbelsäulenbeschwerden aus. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, welcher durch Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 19.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Dagegen hat der Kläger am 16.4.2007 beim Sozialgericht Köln Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat den Entlassungsbericht der Klinik C M vom 12.3.2007 über eine zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme beigezogen und den Orthopäden Dr. C1 sowie den Neurologen und Psychiater Dr. H mit der Begutachtung des Klägers betraut. Dr. C1 ist als Hauptsachverständiger zusammenfassend zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger bestehe im Bereich des Funktionssystems Psyche ein Einzel-GdB von 20, im Bereich des Funktionssystems Wirbelsäule von 10 sowie im Bereich des Funktionssystems Magen-Darm von 10, was insgesamt einen GdB von 20 rechtfertige. Hierzu hat der Kläger eine Stellungnahme des ihn behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. C vom 20.08.2007 aus dem parallel geführten Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten wegen Leistungen der Unfallversicherung aufgrund des Arbeitsunfalls vom 01.04.2004 vorgelegt, in der Dr. C die im Dezember 2004 diagnostizierte, generalisierte Angststörung als Unfallfolge angesehen hat. Nach weiteren Einwänden des Klägers gegen die bis dahin vorliegenden gerichtlichen Sachverständigengutachten und Vertagung der mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht Gutachten des Orthopäden Dr. U sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W eingeholt. Dr. W ist hierbei zusammenfassend zu der Einschätzung gelangt, im Bereich des Funktionssystems Wirbelsäule bestehe ein Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem untere Gliedmaßen ein Einzel-GdB von 10 und im Bereich der Psyche von 20, der Gesamt-GdB betrage 20. Mit Urteil vom 17.02.2009, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt. Im vor dem 6. Senat des erkennenden Gerichts geführten Berufungsverfahr...

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