Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers. Voraussetzung des Wechsels der Zuständigkeit. Anforderungen an die Annahme einer eindeutig widersprechenden Zuständigkeit. Zuordnung eines Unternehmens zum Bereich der Wohlfahrtspflege
Orientierungssatz
1. Ein als gemeinnützig anerkanntes Unternehmen, dessen Tätigkeitsschwerpunkt die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darstellt, ist im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung den Unternehmen der Wohlfahrtspflege zuzuordnen, jedenfalls soweit der ideelle Zweck den übergeordneten Unternehmenszweck bildet.
2. Ein Wechsel der Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung kommt nur in Betracht, wenn die bisherige Zuständigkeit den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht. Dabei genügt ein bloßer Irrtum über die sachliche Zuständigkeit noch nicht zur Begründung einer eindeutig widersprechenden Zuständigkeit.
Normenkette
SGB VII § 136 Abs. 1 Sätze 1, 4-5, Abs. 2 Sätze 1-3, §§ 121, 122 Abs. 2; UVTrägerV Abschnitt A Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1929-05-17; SGB IX § 132 Abs. 1, 3; SchwbG § 53a; AO § 65 Nr. 1, § 68 Nr. 3 Buchst. c; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2; SGB X § 48 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1-2, § 160 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 197a Abs. 1; VwGO § 154 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 2-3; GKG § 52 Abs. 1, 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.07.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 257.251,86 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Überweisung von der Beklagten zur Beigeladenen hat.
Ausweislich der Gewerbeanmeldung vom 21.08.2009 nahm die Klägerin zum 15.07.2009 ihre Tätigkeit auf. Sie betreibt an verschiedenen Standorten in Deutschland Läden und Werkstätten sowie einen Onlineshop, in denen gebrauchte EDV-Ware (PC's, Notebooks, Drucker, Server und weiteres Zubehör) aufgearbeitet oder in Wertstoffe zerlegt sowie vermietet und verkauft werden. In der Gewerbeanmeldung gab sie als Tätigkeitsschwerpunkt die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Das Unternehmen sei als Integrationsprojekt im Sinne des § 132 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) tätig. Dementsprechend werde gemäß den gesetzlichen Anforderungen die Mindestquote für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Sinne dieser Norm beachtet. Diese Angaben entsprechen den in § 2 zum Gegenstand des Unternehmens getroffenen Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag vom 29.09.2008. Nach § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Sie verfolge damit steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (§§ 51 bis 68 AO). Nach Absatz 2 ist die Gesellschaft selbstlos tätig. Sie verfolge nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Interessen. Gemäß § 3 Abs 4 werden die durch den Gegenstand des Unternehmens gewonnen Mittel für die Finanzierung von Arbeitsplätzen von behinderten Menschen in der Gesellschaft oder bei einer anerkannten Werkstätte für behinderte Menschen verwendet (50 %). Die restlichen 50 % werden anderen gemeinnützigen Institutionen und Stiftungen gespendet. Im Handelsregister (Amtsgericht F, Handelsregister B, HRB 000) ist ua ausgeführt, das Unternehmen sei als Integrationsobjekt im Sinne des § 132 SGB IX tätig. Es betreibe keinen reinen Handel, sondern lasse alle EDV-Produkte von behinderten Menschen "veredeln". Es sei geplant, gemeinsam mit einer anerkannten gemeinnützigen Werkstatt zusammenzuarbeiten. Die beschriebenen Arbeiten, die nicht von der eigenen Firma erbracht werden könnten, sollten bei anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen in Auftrag gegeben werden.
Nach Angaben der Klägerin wurden am 01.01.2013 159 Mitarbeiter beschäftigt. Davon waren 44,64 vH behinderte Menschen, darunter 40,25 vH aus der Zielgruppe des § 132 Abs 1 SGB IX. Von den 159 Mitarbeitern waren 15 in leitender Funktion, 14 in der Verwaltung, 45 im Vertrieb, Verkauf und Logistik, 55 in Technik, Test, Zerlegung und Softwareentwicklung und 30 als Auszubildende und Praktikanten beschäftigt. In dem Fragebogen für die Beklagte gab die Klägerin zur Art der neu anzumeldenden Einrichtung an, es handele sich um ein Integrationsprojekt nach § 132 SGB IX.
Mit Zuständigkeitsbescheid vom 26.11.2009 erklärte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen und veranlagte es im Folgenden als Beschäftigungs-/Qualifizierungsprojekt innerhalb der Gefahrtarifstelle 17 mit dem Strukturschlüssel 0830.
Am 14.12.2009 übersandte die Klägerin die Gemeinnützigkeitsbescheinigung des Finanzamtes F-Nordost vom 10.12.2008.
Bereits mit Schreiben vom 12.06.2012 bat sie im Rahmen eines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid 2011 und...