Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Überweisungsanspruch. Unternehmen zur Förderung Langzeitarbeitsloser und (schwer-)behinderter Menschen in der Holzproduktion. Integrationsunternehmen gem § 132 SGB 9. Unternehmensumstrukturierung: Übernahme von Lebensmittelmärkten. Unternehmen der Wohlfahrtspflege. Unternehmenszweck. Gewinnerzielungsabsicht
Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmen, das die planmäßige, zum Wohl der Allgemeinheit und nicht - allein - zum Zwecke des Erwerbes ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für notleidende oder (hier gesundheitlich) gefährdete Mitmenschen zum Zweck hat, gehört zur Wohlfahrtspflege.
Dabei kommt dem Aspekt der fehlenden Erwerbsausübung große Bedeutung zu, wenn das Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Dieses Merkmal hat aber keine Ausschlusswirkung für die positive Feststellung der Wohlfahrtspflege, wenn eine Gewinnabsicht zu bejahen ist, sofern diese nicht den Unternehmenszweck dominiert oder das soziale Gepräge in den Hintergrund drängt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.03.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 33.005,82 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die als Mitglied der Beklagten geführte Klägerin an die Beigeladene zu überweisen ist.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, deren Gesellschafter das Sozialunternehmen N. A. gGmbH und das Behindertenzentrum S. e.V. sind. Die Gesellschaft wurde im September 2004 gegründet und bot zunächst behinderten Menschen Beschäftigungen u.a. in der Holzproduktion und der Vermarktung von Möbeln. Seit 2013 betreibt die Klägerin auch mehrere C.-Lebensmittelläden. Insgesamt besteht die Klägerin aktuell aus den Unternehmensbereichen Holzverarbeitung, C. Lebensmittelmärkte, Garten und Natur, EBI Raumausstattung und Malerwerkstatt (vgl. den Internetauftritt der Klägerin unter http://www.n...de/index.php), in denen zu einem hohen Anteil behinderte Menschen beschäftigt sind (vgl. Internetauftritt der Klägerin). Im Internet beschreibt sich die Klägerin wie folgt:
“Um die Berufschancen für Menschen mit Behinderung in der Region S. zu verbessern, hat das Sozialunternehmen N. gGmbH zusammen mit dem Behindertenzentrum S. e.V. im September 2004 die “N. - U. f. I. gGmbH„ gegründet. Dabei ist die N. Arbeit an diesem Projekt zu 80 Prozent beteiligt, das Behindertenzentrum S. e.V. zu 20 Prozent. In der N. sind langzeitarbeitslose und behinderte Menschen in der Holzverarbeitung und in C.-Lebensmittelmärkten tätig.
Der Unternehmensauftrag der N. gGmbH ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und benachteiligten Menschen die Integration in die Arbeitswelt zu ermöglichen.
Die Arbeiten in der Holzverarbeitung und den C.-Lebensmittelmärkten sind einfach und stellen ausreichend geeignete Arbeitsplätze für den sozialen Auftrag bereit.„
Der Gesellschaftsvertrag enthält - auch in der aktuell gültigen Fassung folgende Regelungen:
Präambel
Ein sichtbares Zeichen christlichen Glaubens ist die praktizierte Nächstenliebe. Das Unternehmen versteht sich als Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. In diesem Sinne fühlt sich die Firma “N. Unternehmen für Integration gGmbH" besonders den Menschen mit Behinderung verpflichtet und versucht, gesellschaftliche Teilhabe durch Perspektive auf Arbeit umzusetzen. N. versteht sich in allen Einrichtungen als Werk der christlichen Gemeinde. Das Unternehmen nimmt teil am Auftrag der Kirche und ist Mitglied im jeweiligen Diakonischen Werk der jeweiligen Landeskirche, auf dessen Gebiet es tätig ist.
§ 1 Firma und Sitz
…
§ 2 Gegenstand des Unternehmens
Das Unternehmen verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung; das Unternehmen ist damit selbstlos tätig. Das Unternehmen verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
Der Satzungszweck des Unternehmens wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die Gesellschaft:
a) schwerbehinderte Menschen fördert.
b) Regelarbeitsplätze für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 132 SGB IX Abs. 1 anbietet. Der Anteil d. schwerbehinderten Beschäftigten soll mindestens 40% v. H. aller Beschäftigten betragen.
c) Ausbildungsplätze für Behinderte und schwer vermittelbare Jugendliche bereitstellt.
d) Praktika und Erprobungsmaßnahmen für WfBM-Beschäftigte einrichten wird.
Die Gesellschaft darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art erwerben, vertreten oder sich an solchen Unternehmen beteiligen. Sie darf auch Geschäfte vornehmen, die der Erreichung und Förderung des Unternehmenszwecks dienlich sein ...