Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Regelaltersrente. Wartezeit. § 90 Abs 1 S 1 ALG. Erfordernis der Lückenlosigkeit der Beitragszahlung vor dem 1.1.1995. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung des § 90 Abs 1 S 1 ALG hinsichtlich des Erfordernisses der Lückenlosigkeit der Beitragszahlung vor dem 1.1.1995.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23.5.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Regelaltersrente, hilfsweise Beitragserstattung.
Vom 1.6.1979 bis zum 31.10.1986 und damit 89 Monate war die am 00.00.1949 geborene Klägerin Mitglied der seinerzeitigen landwirtschaftlichen Alterskasse (Aufnahmebescheid vom 10.9.1979; Bescheid über Beendigung der Mitgliedschaft vom 18.10.1988) und zahlte Beiträge. Auf ihre Anfrage hin wurde der Klägerin im Jahre 1986 ein Merkblatt zu Beiträgen, Befreiung von der Beitragspflicht etc. übersandt. Mit Bescheid vom 18.10.1988 stellte die Beklagte die Beendigung der Mitgliedschaft und den Wegfall der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse fest. Darin heißt es u.a.:
" ...
Wir machen darauf aufmerksam, dass ein Altersgeld nur gewährleistet ist, wenn unter anderem mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres und für mindestens 180 Kalendermonate Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt wurden. Wir empfehlen Ihnen deshalb dringend, über den oben genannten Zeitpunkt hinaus Beiträge gemäß § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) freiwillig weiter zu entrichten ...
Wichtig: Sollten Sie einen Beitragszuschuß oder eine Beitragsentlastung erhalten haben, fällt dieser Anspruch mit dem o.g. Zeitpunkt weg. Hierüber erhalten Sie einen gesonderten Bescheid. Sofern Sie von der Möglichkeit der Weiterversicherung Gebrauch machen, ist der Beitragszuschuß neu zu beantragen. Dies ist mit der anliegenden Erklärung über die Weiterversicherung möglich. Wir bitten aber, dies entsprechend anzukreuzen ... "
Die seit November 1986 überzahlten Beiträge in Höhe von 4.118,00 Deutsche Mark (DM) wurden der Klägerin erstattet. Eine freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen durch die Klägerin erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 29.3.1989 teilte die Beklagte der Klägerin auf deren Anfrage mit, dass sie für den Fall, dass sie bei einer eventuellen Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung einen Zuschuss von der landwirtschaftlichen Alterskasse in Anspruch nehme, gem. § 48 Abs. 1 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) aus der landwirtschaftlichen Alterskasse ausscheide. Gem. § 48 Abs. 2 GAL müssten ihr die als landwirtschaftliche Unternehmerin eingezahlten Beiträge von Amts wegen erstattet werden. Da Leistungen auf Kosten der Alterskasse nicht gewährt worden seien, könnten die entrichteten Beiträge erstattet werden.
Auf die Bitte der Klägerin um Prüfung eines Rentenanspruchs teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 6.5.2014 mit, dass die Wartezeit für den möglichen Bezug einer Rente aus der landwirtschaftlichen Alterskasse mangels Weiterentrichtung der Beiträge nicht erfüllt sei. Daraufhin übersandte die Klägerin per Mail einen Auszug aus dem Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 17.3.2010 (L 2 LW 5/09), wonach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorgelegt werde, ob die Regelungen in § 90 Abs. 1 und § 93 Abs. 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) gegen die Grundrechte der Beitragslücken aufweisenden Versicherten aus Art. 14 und 3 Grundgesetz (GG) verstießen. Leider sei es zu einem Urteil des BVerfG nicht gekommen, denn die Vorlage sei unzulässig geworden, weil die in dem Verfahren beklagte landwirtschaftliche Alterskasse nachträglich die Ansprüche des Klägers anerkannt habe.
Die Beklagte verwies daraufhin auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.8.2000 (B 10 LW 7/00 B), in dem die Rechtmäßigkeit der Vorschrift nicht beanstandet worden sei. In der Rechtsprechung des BSG habe man bislang keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen gesehen. Nunmehr bat die Klägerin mit Schreiben vom 26.11.2014 um Prüfung, ob die 87 Beitragsmonate einschließlich Kindererziehungs- und Pflegezeiten bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund durch Anrechnung zur Wartezeiterfüllung bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse anerkannt werden könnten. Gegebenenfalls könne sie noch für vier Monate freiwillige Beiträge zur DRV zahlen. Die Beklagte teilte hierzu mit, dass eine Anrechenbarkeit auf die Wartezeit nicht durch spätere weitere Pflichtbeitragszeiten in anderen Alterssicherungssystemen herbeigeführt werden könne.
Am 14.12.2015 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Regelaltersrente bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 13.1.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab...