Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht. selbständig tätiger Lehrer. Verfassungsmäßigkeit. Verwirkung. Beitragsanspruch. behördliche Zusage. Schriftform
Orientierungssatz
1. Die Rentenversicherungspflicht als selbständig tätiger Lehrer, der im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, ist nicht verfassungswidrig.
2. Die Verwirkung eines Beitragsanspruchs setzt voraus, daß der Sozialleistungsträger den Beitrag über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände hinzutreten, die das spätere Geltendmachen nach Treu und Glauben als mißbräuchlich erscheinen lassen.
3. Eine - unterstellte - mündliche Zusage, daß z. B. ein einmaliger freiwilliger Beitrag ausreicht, entfaltet keine rechtliche Verbindlichkeit, da eine behördliche Zusage zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Abführung von Pflichtbeiträgen für die Zeit von Januar bis Juli 1997 in Höhe von DM 6.067,67.
Der ... 1946 geborene Kläger ist seit September 1992 als Sprachlehrer selbständig tätig. Er beschäftigt keine Arbeitnehmer. Am 30.12.1996 stellte er bei der Beklagten den Antrag auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung für eine freiwillige Versicherung. Nachdem ihm anläßlich seines Anrufes bei der Beklagten am 03.03.1997 mitgeteilt worden war, daß er als Lehrer nach § 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) versicherungspflichtig sei, und er sich nach der erbetenen Zusendung von Info-Material nicht geäußert hatte, stellte die Beklagte durch Bescheid vom 02.07.1997 fest, daß der Kläger nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sei und den Regelbeitrag von monatlich DM 866,81 zu zahlen habe; für die Monate Januar bis Juli 1997 (Pflichtversicherung) wurde der Betrag von DM 6.067,67 angefordert. Dagegen legte der Kläger am 04.08.1997 Widerspruch ein, ohne diesen allerdings trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Beklagte mit einer Begründung zu versehen. Insbesondere folgte der Kläger auch nicht der Aufforderung der Beklagten vom 15.08.1997, Nachweise über die Art seiner Selbständigkeit vorzulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.1998 wies die Beklagte den Widerspruch nach Aktenlage zurück.
Der Kläger hat am 20.03.1998 Klage erhoben und vorgetragen, daß er im Frühjahr 1994 die Rentenberatungsstelle der Beklagten aufgesucht habe; zu dem dort geführten Gespräch solle die Beklagte ihre Unterlagen zur Verfügung stellen. Weiter hat der Kläger vorgetragen, daß er nicht versicherungspflichtig sei, weil § 2 Nr. 1 SGB VI gegen Art. 2 und 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Es sei nicht ersichtlich, wieso selbständige Lehrer bezüglich ihres Vorsorgeverhaltens besonders schutzwürdig seien und deshalb versicherungspflichtig sein müßten. Außerdem habe die Beklagte ihren Beitragsanspruch für rückwirkende Zeiten verwirkt, weil sie ihn falsch beraten habe. In der Beratungsstelle sei er nämlich dahingehend informiert worden, daß er einen einmaligen Betrag in Höhe von ca. 1.000 DM als freiwilligen Beitrag einzahlen solle und damit eine Anwartschaft auf die Mindestrente nach 15 Versicherungsjahren erwerben würde.
Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom
02.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1998 aufzuheben, hilfsweise
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1998 zu verurteilen, ihm gegenüber auf die Erhebung von Pflichtbeiträgen für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.07.1997 zu verzichten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig und hat vorgetragen, daß über das angegebene Beratungsgespräch keine Unterlagen existierten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 09.04.1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Er sei nämlich gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI als selbständig tätiger Lehrer, der im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige, versicherungspflichtig. Eine Verletzung seiner Grundrechte durch die Beitragspflicht sei nicht zu erkennen. Insbesondere verstoße die Versicherungspflicht nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgebot), da § 2 Nr. 1 SGB VI eine willkürliche Ungleichbehandlung selbständiger Lehrer gegenüber sonstigen Selbständigen nicht enthalte. Der Gesetzgeber habe mit § 2 SGB VI nämlich nur diejenigen Selbständigen in die Versicherungspflicht einbezogen, die auf ihre Arbeitskraft angewiesen seien und damit in ähnlicher Weise tätig und schutzbedürftig seien wie die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Hierunter fielen auch selbständig tätige Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehme...