Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Unfallversicherungsschutzes bei einem freiwillig versicherten Unternehmer
Orientierungssatz
1. Ein freiwillig versicherter Unternehmer ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 7 in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle versichert. Dessen Unfallversicherungsschutz umfasst alle Tätigkeiten, die wesentlich dem Unternehmen zu dienen bestimmt sind. Er ist u. a. versichert, wenn er unmittelbare Werbung für sein Unternehmen betreibt, Kunden besucht, um die Geschäftsverbindungen aufrecht zu erhalten oder um neue Verbindungen anzuknüpfen. Bei Verrichtungen, die der privaten Sphäre zuzurechnen sind, besteht kein Versicherungsschutz, es sei denn, geschäftliche Dinge stehen erkennbar im Vordergrund.
2. Geschäftsreisen stehen unter Unfallversicherungsschutz. Dabei müssen anhand der Handlungstendenz diejenigen Verrichtungen unterschieden werden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, von solchen, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt. Der Versicherungsschutz entfällt erst dann, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet.
3. Unfallversicherungsschutz wird nicht ausgeschlossen bei gespaltener Handlungstendenz bzw. bei gemischter Motivationslage, d. h. wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche oder private Zwecke verfolgt. Voraussetzung für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz ist in einem solchen Fall, dass das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre.
Normenkette
SGB VII § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Sätze 1-2
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.05.2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die dem Kläger entstandenen Kosten auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Treppensturzes als Arbeitsunfall.
Der Kläger ist in O als selbstständiger Vertriebs- und Personalberater tätig; er ist bei der Beklagten freiwillig versichert. Am 23.07.2010 (Freitag) besuchte er gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Netzwerkveranstaltung des N Business Clubs (N, Z-Netzwerk) in I. Dem Internetauftritt von Z ist zu entnehmen, dass es sich um ein soziales Netzwerk für berufliche Kontakte handelt, in dem sich Berufstätige aller Branchen vernetzen, um Jobs, Mitarbeiter, Aufträge, Kooperationspartner, fachlichen Rat oder Geschäftsideen zu suchen und zu finden. Der N beschreibt sich auf seiner Homepage wie folgt: "Der N-BusinessClub ist eine der großen Regionalgruppen innerhalb der Business-Plattform Z. Knapp 12.000 Mitglieder versammeln sich hier unter dem Motto "Persönliches zählt, Geschäftliches ergibt sich" und knüpfen sowohl online als auch offline neue Geschäftskontakte. Neben dem Austausch im Forum organisiert der N mindestens einmal im Monat Treffen im sogenannten Real Life, die auch Nicht-Mitgliedern offenstehen. Die meisten von ihnen beginnen nach dem Warm-Up mit einem kleinen Vortrag, der interessante Impulse und einen Einstieg in die weitere Kommunikation bietet - aber auch gemeinsame Wanderungen oder Blicke hinter die Kulissen bekannter N Unternehmen gehören zum Angebot der Gruppe." Das Veranstaltungsprogramm für den 23.07.2010 lautete: "Liebes N-Mitglied, die Kulturhauptstadt 2010 liegt quasi vor unserer Haustür. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und besuchen zusammen mit Ihnen am Freitag, 23. Juli die RUHR.2010 in I. In der Ausstellung "Helden - von der Sehnsucht nach dem Besonderen" erwartet Sie eine spannende Reise von den Helden der Antike bis zu denen des Ruhrgebietes - und das in der I, dem ältesten Hochofen des Reviers ...Im Preis von 20,- pro Person ist der Museumseintritt, eine 90-minütige Führung durch die 850 Exponate sowie ein Begrüßungsgetränk im Restaurant I ...enthalten. Nach der Führung lassen wir dort beim Blick in die alte Maschinenhalle mit Ihnen den Tag ausklingen. Die Führung startet pünktlich um 18 Uhr. Wir sind ab 17:30 dort und erwarten Sie am Museumseingang ...".
Der Kläger fuhr mit seiner Ehefrau, der Zeugin I direkt von seinem Büro in O aus zum Industriemuseum in der I in I. Mit sich führte er eine Aktentasche, in der er u.a. einen Terminkalender, Visitenkarten, einen Block und Stifte bei sich trug. Der Kläger und seine Ehefrau trafen im Foyer der I auf die Organisatoren und weitere Teilnehmer der Veranstaltung. Nach einem Small Talk wollte die Gruppe das Museum aufsuchen. Vor dem Betreten wurde der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass er seine Aktentasche nicht mit ins Museum nehmen dürfe. Er brachte deshalb seine Tasche in die untere Etage, wo er sie in einem der dort befindlichen Schließfächer einschloss. Auf dem Rückweg rutschte er auf der Treppe nach oben ab, knickte um und stürzte auf das rechte Bein. Trotz dieses Vorfalls schloss sich der Kläger zunächst wieder de...