rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 08.11.1991; Aktenzeichen S 5 J 64/89) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 13 BJ 23/97) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08. November 1991 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 1989 aufgehoben. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen beider Rechtszüge trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Als Rechtsnachfolgerinnen der am 13. November 1995 in Chile verstorbenen S ... B ... - Versicherte - wenden sich die Klägerinnen zu 1) und 2) gegen die vorläufige Einstellung der Rentenzahlungen (Witwenrente und Altersruhegeld) an die Versicherte.
Die ehemalige Beklagte (LVA Westfalen) gewährte der Versicherten mit Bescheid vom 08. Januar 1970 Hinterbliebenenrente nach ihrem am 30. Oktober 1969 verstorbenen Ehemann P ... B ... Ab 01. Januar 1984 bezog die Versicherte von der ehemaligen Beklagten Altersruhegeld.
Am 01. August 1975 verlegte die Versicherte ihren Wohnsitz von G ... nach Chile, wo sie als deutsche Staatsangehörige in der "Socieda Benefactora y Educacional Dignidad" (der sogenannten Colonia Dignidad, im folgenden CD) in der Gemeinde P ... wohnt.
Die Rente wurde auf das Konto der Versicherten bei der Deutschen Bank in S ... überwiesen (Kontonummer ...).Die Versicherte übersandte die von der ehemaligen Beklagten jährlich erbetenen mit einem Legalisierungsvermerk der deutschen Botschaft in Santiago de Chile versehenen Lebens- und Staatsangehörigkeitsbescheinigungen.
Im September 1987 übersandte die Versicherte die Bescheinigung ohne Legalisierungsvermerk einer deutschen Auslandsvertretung mit dem Hinweis, die deutsche Botschaft in Santiago de Chile habe die von der örtlichen Polizeibehörde erteilte Bescheinigung, die ihr zur Legalisierung übersandt worden sei, ohne den Legalisierungsvermerk zurückgesandt und sich dabei auf eine ihr (der Versicherten) nicht bekannte "Mitteilung des Versorgungsamtes B ..." bezogen. Sie könne im Alter von 76 Jahren nicht mehr bei der 400 km entfernt liegenden Botschaft persönlich vorsprechen. Eine weitere unter dem 10. November 1987 legalisierte Lebensbescheinigung vom 12. August 1987 ging beim Versorgungsamt B ... am 08. Dezember 1987 ein.
Am 22. Februar 1988 führte der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages, Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, eine öffentliche Anhörung zu dem Thema durch, ob sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der CD in Chile befänden. Diese Frage wurde von der überwiegenden Zahl der vom Untersuchungsausschuß gehörten Auskunftspersonen bejaht, von dem Arzt Dr. H ..., der die CD vertrat, aber bestritten. Nach dem Ergebnis dieser öffentlichen Anhörung ergab sich der Verdacht, bei Einwohnern der CD könne infolge von physischer und psychischer Zwangseinwirkung ein die Geschäftsfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berührender Zustand der Fremdbeherrschung erreicht und nicht mehr sichergestellt sein, daß ihnen die Renten wirklich zuflössen.
Mit Schreiben vom 09. September 1988 wies die ehemalige Beklagte die Versicherte u.a. auf die Ergebnisse der Anhörung in dem vorgenannten Untersuchungsausschuß sowie auf ihre Zweifel daran hin, ob ihr die Renten auch tatsächlich zuflössen bzw. ob sie ihre Renten wirksam abgetreten habe. Sie, die Beklagte, sei gehalten, u.a. dem Verdacht einer unzulässigen Umgehung der Abtretungsregelungen nachzugehen. § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erlaube eine Abtretung im Interesse des Berechtigten nur bis zur Höhe eines bestimmten Betrages; keinesfalls dürfe dem Berechtigten die Rente, soweit sie der Sicherung des Existenzminimums diene, entzogen werden. Ferner seien Zweifel daran aufgetreten, ob bei ihr eine für den Weiterbezug der Renten erforderliche ordnungsgemäße Lebensbescheinigung vorliege. Die Klärung der vorgenannten Fragen sei angesichts der Verdachtsmomente nur in einem per sönlichen Gespräch mit ihr möglich. Zu dieser Mitwirkung sei sie nach § 61 SGB I verpflichtet. Danach habe der Rentner auf Veranlassung des Leistungsträgers persönlich zu erscheinen, sofern es um die Klärung von Zweifelsfragen über das Vorliegen der Voraussetzungen für den weiteren Rentenbezug gehe. Die Versicherte werde gebeten, am 23. November 1988 ab 9.00 Uhr im Hotel I ... R ... in Ch. vorzusprechen. Die Fahrtkosten würden erstattet. Sollte sie zu diesem persönlichen Gespräch nicht erscheinen, sehe sie, die Beklagte, sich gezwungen, von der gesetzlichen Regelung des § 66 SGB I Gebrauch zu machen. Danach könne der Leistungsträger, sofern der Rentner seiner Mitwirkungspflicht nach § 61 SGB I nicht nachkomme, die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ohne weitere Ermittlung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Den vollständigen Wortlaut des § 66 SGB I könne die Versicherte aus der beiliegenden Anlage ersehen. Sollte die Versich...