Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.08.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Bewilligung eines Grundrentenzuschlags gemäߧ 76g Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) .

Der am 03.12.1960 geborenen Klägerin wurde mit Bescheid vom 18.02.2022 Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt. Die Beklagte traf die Feststellung, dass insgesamt 517 Kalendermonate mit Grundrenten-Bewertungszeiten vorliegen und der Durchschnittswert aus den Entgeltpunkten für Grundrenten-Bewertungszeiten, dem Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung und der Anzahl der Kalendermonate mit Grundrenten-Bewertung 0,0635 beträgt. Die Rentenhöhe wurde vorläufig festgestellt, weil noch nicht abschließend habe geprüft werden können, ob die Klägerin einen Zuschlag für langjährige Versicherung bekommen könne. Es fehlten noch Daten zum Einkommen der Klägerin. Mit Bescheid vom 02.03.2022 bewilligte die Beklagte der Klägerin dann endgültig eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.05.2022 in Höhe von 901,09 EUR ohne einen Zuschlag für langjährige Versicherung zu berücksichtigen. Auf den Zuschlag für langjährige Versicherung rechnete sie Einkommen in Höhe von 1.121,25 EUR an. Der angerechnete Betrag sei höher als der Zuschlag. Dieser werde deshalb nicht geleistet.

Mit ihrem Widerspruch vom 15.03.2022 rügte die Klägerin, dass neben ihrem eigenen Einkommen auch das ihres Ehemannes angerechnet worden sei. Die Einkommensanrechnung gemäߧ 97a Abs. 1 SGB VI beim Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und gegenArt. 6 Abs. 1 GG , weil die Einkommensanrechnung von der Heirat abhänge. Verheiratete und unverheiratete Menschen würden ungleich behandelt und durch den Familienstand "verheiratet" benachteiligt. Ihr eigenes Einkommen übersteige die Anrechnungsgrenze nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den sich aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung ergebenden Rentenanteil sei Einkommen der berechtigten Person sowie Einkommen des Ehegatten anzurechnen. Werde das anzurechnende Einkommen von der Finanzverwaltung gemeldet, seien die Rentenversicherungsträger gemäߧ 97a Abs. 2 Satz 6 SGB VI an die gemeldeten Daten gebunden. Änderungen dieser Daten könne nur die Finanzverwaltung vornehmen. Insofern seien die Rentenversicherungsträger nicht befugt, anderes als von der Finanzverwaltung übermittelte Einkommen anzurechnen. Der Rentenversicherungsträger sei bei seinem Handeln an Recht und Gesetz gebunden, dies schreibe das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 3 GG vor. Er dürfe nicht prüfen, ob ein Gesetz verfassungsgemäß sei. Diese Prüfung erfolge nur durch das Bundesverfassungsgericht. Der Bescheid sei deshalb nicht zu beanstanden.

Mit ihrer am 12.05.2022 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie werde als Verheiratete gemäßArt. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt, denn bei unverheirateten Lebenspartnern finde eine Einkommensanrechnung nicht statt. Mit der Einführung der sog. Grundrente ab dem 01.01.2021 gehe es dem Gesetzgeber um die Anerkennung von Lebensleistung von Menschen, die langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen pflichtversichert gewesen seien. Die mit diesem Gesetz eingeführte Einkommensprüfung unterscheide aber zwischen Ehen bzw. Lebenspartnerschaften und eheähnlichen Lebensgemeinschaften. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungswidrig.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2022 zu verurteilen, bei der Berechnung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen das Einkommen ihres Ehemannes nicht anzurechnen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Aus der Regelung des§ 97a SGB VI ergebe sich, dass zum einen das Einkommen des Ehegatten anzurechnen sei und zum anderen hierfür ausschließlich und von der Beklagten nicht veränderbare Festsetzungsdaten der Finanzbehörden zu Grunde zu legen seien. Daher könne die Beklagte auch nicht verpflichtet werden, das Einkommen des Ehegatten der Klägerin bei der Rentenberechnung unberücksichtigt zu lassen. Die Norm des§ 97a SGB VI verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Bis zu einem Freibetrag werde das Einkommen nicht auf die Grundrente angerechnet. Da es sich um die Feststellung eines Grundrentenbedarfs bei Einkommensanrechnung handele habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, dies frei zu gestalten. Nach der Entscheidung desBundesverfassungsgerichts vom 01.07.1981 - 1 BvR 874/77 - könnten Versicherte und Rentner in der gese...

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