Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse. Schizophrenie ist Krankheit. stationäre Behandlung bei psychiatrischer Behandlung. Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung. Prognoseentscheidung des Krankenhausarztes. Abgrenzung zur ambulant-ärztlichen Versorgung
Orientierungssatz
1. Bei einem zugelassenen Krankenhaus iSd § 108 SGB 5 ist die Krankenkasse als Korrelat zu dessen Behandlungspflicht auch bei Fehlen weiterer vertraglicher Vereinbarungen zur Bezahlung der normativ bzw vertraglich festgelegten Entgelte verpflichtet (vgl BSG vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Zur rechtlichen Begründung des Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses bedarf es daher keines Rückgriffes auf den auf Landesebene gemäß § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5 geschlossenen Vertrag (vgl LSG Essen vom 6.5.2004 - L 5 KR 197/03 und vom 3.2.2005 - L 5 KR 1/04).
2. Schizophrenie ist nach heutigem allgemein anerkannten wissenschaftlichem Standard auch bei langanhaltendem chronifizierten Dauerzustand einer Erkrankung, die medizinisch-ärztlich beeinflussbar ist (vgl BSG vom 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 4).
3. Bei psychiatrischer Behandlung tritt der Einsatz von krankenhausspezifischen Gerätschaften in den Hintergrund und allein schon der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation kann eine stationäre Behandlung begründen (vgl BSG vom 12.11.1985 - 3 RK 33/84 = SozR 2200 § 184 Nr 28).
4. Die Behandlung in einem Krankenhaus ist erforderlich, wenn die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses durchgeführt werden kann und eine ambulante ärztliche Versorgung nicht ausreicht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl BSG vom 16.2.2005 - B 2 KR 18/03 R aaO). Dabei ist die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung davon abhängig, dass die Behandlung primär dazu dient, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihr Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und dass gerade bezogen auf eines dieser Behandlungsziele die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind (vgl BSG vom 13.5.2004 - B 3 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, 14 und vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1).
5. Einem Versicherten mit einem schweren psychiatrischen Leiden ist ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zuzubilligen, wenn nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungsansatz erfolgversprechend verwirklicht werden kann, dh wenn es auf das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams aus Diplompsychologen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten und Bewegungstherapeuten sowie psychiatrischem Krankenhauspflegepersonal unter fachärztlicher Leitung ankommt. Auch das Vorliegen eines chronischen, seit Jahren bestehenden Krankheitsbildes, wie bei der Beigeladenen, schließt die Notwendigkeit stationärer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht aus (vgl BSG vom 20.1.2005 - B 3 KR 9/03 R = SozR 3-2500 § 112 Nr 4 und 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R aaO).
6. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung trifft der behandelnde Krankenhausarzt, der im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen eine Prognose zu erstellen hat. Diese Prognose muss von der Krankenkasse hingenommen werden, sofern sie vertretbar ist, da der Arzt auch die volle strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortung trägt. Die Prognoseentscheidung ist nur dann nicht vertretbar, wenn sie im Widerspruch zur allgemeinen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt (BSG vom 20.1.2005 - B 3 KR 9/03 R aaO).
7. Die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit psychiatrisch schwer erkrankter Versicherter ist nicht schon bei der rein theoretischen Möglichkeit ambulant-ärztlicher Versorgung zu verneinen. Da die Krankenkasse dem Versicherten die notwendige medizinische Behandlung als Sachleistung schuldet (§ 2 Abs 2, § 27 SGB 5) und dem Versicherten nach § 14 SGB 1 zur Beratung über seine Rechte und Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis verpflichtet ist, muss sie vielmehr eine tatsächlich für die Beigeladene vorhanden gewesene Behandlungsalternative für den streitigen Zeitraum nachgewiesen haben (BSG vom 13.5.2004 - B 3 KR 18/03 R aaO und vom 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R aaO).
Nachgehend
Tatbestand
Der klagende Krankenhausträger verlangt von der beklagten Krankenkasse die Zahlung von 81.688,31 Euro für die stationäre Behandlung der beigeladenen Versicherten der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, N (WKPP), in dem Zeitraum vom 19.08.1996 bis 04.11.1997.
Die am 00.00.1933 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Beigeladene hält sich seit dem 31.08.1949 wegen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis in stationären Einrichtungen auf. Von 1973...