Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung der Streitsache wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels
Orientierungssatz
1. Das Landessozialgericht kann den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Das ist der Fall, wenn das Sozialgericht auf dem Weg zu seiner abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann.
2. Ein nach § 109 SGG gestellter Antrag darf nur dann mit dem Hinweis auf eine Fristversäumnis abgelehnt werden, wenn die Frist angemessen gewesen ist. Das hängt nach Art und Umfang der bisherigen medizinischen Beweisaufnahme ab. Eine generelle, schematische Fristsetzung von vier Wochen ist nicht geeignet, um den gestellten Antrag allein mit Hinweis auf eine Fristversäumnis abzulehnen.
3. Die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar. Es steht im Ermessen der Berufungsinstanz, die Streitsache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.10.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Der am 00.00.1964 in der Türkei geborene Kläger war ab 1983 in Deutschland zumeist im Bergbau, zuletzt als Hauer in der Gewinnung beschäftigt und ist seit 1999 arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Seit dem 01.03.2000 bezieht er von der Beklagten die Rente für Bergleute.
Nach einem vorangegangenen Streitverfahren (S 6 KN 244/00) stellte der Kläger erneut am 15.11.2005 einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er stützte den Antrag auf ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. N vom 30.08.2005, der den Kläger für erwerbsunfähig hielt. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) begutachten. Beim Kläger wurde eine Minderbelastbarkeit der Halswirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung in Höhe C5/C6 mit chronischem oberen Cervikalsyndrom, eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei minimalen medialen Bandscheibenvorfall in Höhe L4/L5 mit segmentaler Funktionsstörung, eine Adipositas, eine ekzematöse Hautläsion im Bereich des rechten Innenknöchels sowie eine depressiv gefärbte somatoforme Entwicklung diagnostiziert. Des weiteren holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. N1 ein. Er fand beim Kläger eine ängstlich-deprimiert-resignative Versagenshaltung bei mangelnder positiver Zukunftsausrichtung sowie multiple körperliche Beschwerden leichtgradigen Ausmaßes ohne Hinweise auf eine dauernde Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Er stellte fest, dass beim Kläger keine Depression von Krankheitswert, Psychose oder Hirnleistungsschwäche vorliege. Es liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit beim Kläger vor. In einer abschließenden Stellungnahme des SMD wurde der Kläger für fähig erachtet, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit nur gelegentlicher Zwangshaltung und gelegentlichen Bück-, Hebe- und Tragebeanspruchungen im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu bewältigen.
Mit Bescheid vom 30.08.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung mit der Begründung ab, dass der Kläger noch für fähig erachtet werde, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Kläger legte unter Bezugnahme auf ein Attest von Dr. N Widerspruch ein und erklärte, seine Beschwerdesymptomatik habe zugenommen. Mit Widerspruchsbescheid von 25.01.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Mit seiner am 05.02.2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiter verfolgt.
Er hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30.08.06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.07 zu verurteilen, bei ihm ab 15.11.05 einen Zustand von voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie hilfsweise Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wie schriftsätzlich beantragt, einzuholen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben über das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Anschließend hat das Gericht ein chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten von Frau Dr. E sowie ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten von Dr. I eingeholt.
Die Sachverständige...