Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. keine Bedarfsgemeinschaft. Nichtvorliegen einer Partnerschaft. Hilfebedürftigkeit. Miteigentümer eines selbstgenutzten Hausgrundstücks. Vermögensberücksichtigung. Schonvermögen. angemessene Größe
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit eines Arbeitsuchenden findet das Einkommen und Vermögen des ebenfalls in dem selbst genutzten Eigenheim wohnenden Miteigentümers keine Berücksichtigung, wenn er und der Hilfebedürftige auch nach der gesetzlichen Neuregelung keine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2 nF bilden und keines der Merkmale des § 7 Abs 3a SGB 2 erfüllt ist.
2. Der Hilfebedürftigkeit eines Arbeitsuchenden steht nicht entgegen, dass er Miteigentümer des selbstgenutzten Hausgrundstücks ist, wenn es sich um ein Hausgrundstück von "angemessener Größe" iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 handelt.
3. Für die Beurteilung der Größe eines Hausgrundstücks ist auf das Gesamtobjekt abzustellen, wenn ein Miteigentümer durch andere Miteigentümer nicht gehindert wird, das ganze Hausgrundstück zu bewohnen. Nur wenn die Wohnstatt des Miteigentümers durch die ihren Anteilen entsprechende Nutzung der anderen Miteigentümer auf einen seinem ideellen Miteigentumsanteil entsprechenden realen Grundstücks- oder Gebäudeteil beschränkt ist, kann für die Bewertung, ob das im Miteigentum stehende Hausgrundstück angemessen iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist, auf den aufgrund des Miteigentumsanteils als Wohnstatt genutzten Teil des Grundstücks abgestellt werden (vgl BVerwG vom 25.6.1992 - 5 C 19/89 = BVerwGE 90, 252, BSG vom 30.5.1990 - 11 RAr 33/88 und vom 17.12.2002 - B 7 AL 126/01 R).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.06.2008 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 21.04.2006, 17.05.2006, 30.05.2006 und 14.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 verurteilt, die der Klägerin darlehensweise gewährten Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem gesamten Verfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die der Klägerin gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Darlehen oder als Zuschuss zu leisten sind.
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin bewohnt zusammen mit dem Zeugen L seit Dezember 1991 ein Eigenheim in der F-Straße 00 in I. Das ca. im Jahr 1930 erbaute Einfamilienhaus steht jeweils zur Hälfte im Eigentum von ihr und dem Zeugen. Es verfügt über sechs Zimmer, die sich auf ein Haupthaus mit Anbau verteilen. Die Wohnfläche beträgt ca. 125,60 qm, die Grundstücksfläche 1003 qm.
Am 13.03.2006 beantragte die Klägerin erstmals bei dem Beklagten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Wohnfläche des Hauses gab sie mit ca. 110 qm an. Sie bezifferte die Höhe der bestehenden Belastungen mit 35.790 Euro. Zudem bestünden zwei Kapitallebensversicherungen, die der Hausfinanzierung dienen würden. Mit Bescheid vom 21.04.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin darlehensweise Leistungen, wobei die Darlehensgewährung vorsorglich erfolgte, da die Vermögensbewertung noch nicht abgeschlossen war. Mit Bescheid vom 17.05.2006 bewilligte er der Klägerin dann Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 in Höhe von monatlich 708,23 Euro. Mit Schreiben vom 30.05.2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Vermögensbewertung gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II abgeschlossen sei. Bei dem von ihr bewohnten Hausgrundstück handele es sich nicht um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Grundsätzlich sei eine Wohnfläche von 130 qm und eine Grundstücksgröße von 800 qm angemessen. Das Hausgrundstück sei 1003 qm groß und damit nicht angemessen. Es habe ein Verkehrswert von 125.411 Euro ermittelt werden können. Die derzeit vorhandenen Grundschulden würden sich nach Anrechnung der Rückkaufswerte der gemeinsamen Lebensversicherungen noch auf ca. 17.328 Euro belaufen, so dass ein wirtschaftlicher Wert von 108.083 Euro vorhanden sei. Bezogen auf ihren hälftigen Eigentumsanteil betrage der Wert noch 54.041 Euro. Hiervon seien die Grundfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II abzuziehen, die im vorliegenden Fall 200 Euro je vollendetem Lebensjahr betrügen, sowie ein Freibetrag von 750 Euro für notwendige Anschaffungen, also insgesamt 11.150 Euro. Es errechne sich ein verwertbares Vermögen von 42.981 Euro. Bis zu dieser Höhe seien die SGB-II Leistungen zukünftig als Darlehen gemäß § 23 Abs. 5 SGB II zu erbringen.
Mit bei dem Beklagten am 01.06.2006 eingegangenem Schreiben legte die Klägerin gegen das Schreiben vom 30.05.2006 und gegen den Bescheid vom 17.05.2006 Widerspruch ein. Im ländlichen Raum müsse der Ermessenspielraum bezüglich der Grundstücksgröße deutlich nach oben genutzt werden. Sie sei nur zur Hälfte Eigentümerin des Grundstück...