Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. Sprechstundenbedarf
Leitsatz (redaktionell)
Der Gemeinsame Prüfungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenassen ist befugt, Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung, auch im Wege des Sprechstundenbedarfs (SSB), und zwar hier durch gesamtvertragliche Vereinbarung, gegen den verordnenden Vertragsarzt festzusetzen. Haben die Parteien der SSB-Vereinbarung einen abschließenden Katalog verordnungsfähiger Mittel aufgestellt, so ist ein darin nicht aufgeführtes Mittel nicht über den SSB verordnungsfähig.
Gehört ein Medikament nicht zu den in der SSB-Vereinbarung aufgeführten Arzneimitteln, so führt die unzulässige Verordnung dieses Medikamentes im SSB zu einem Schaden der beteiligten Krankenkassen. Denn die Kasse, deren Mitglied der Versicherte ist, ist nur im Fall einer Einzelverordnung zur Sachleistung verpflichtet. Die unzulässige Verordnung von SSB führt zum Entstehen eines Regressanspruchs, ohne dass hierfür ein Verschulden des Vertragsarztes im Regressbescheid festgestellt werden muss.
Aus der Tatsache, dass die Verordnung eines Medikamentes als SSB von dem Gemeinsamen Prüfungsausschuss entgegen der fehlenden Verordnungsfähigkeit nicht beanstandet wurde, erwächst dem Vertragsarzt dann kein Vertrauensschutz, wenn die Kassenärztliche Vereinigung ihre Mitglieder in ihrem Fachorgan auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, die SSB-Vereinbarung in der Verordnungspraxis zu beachten.
Orientierungssatz
1. Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) festzusetzen.
2. Haben die Parteien der SSB-Vereinbarung einen abschließenden Katalog verordnungsfähiger Mittel aufgestellt, so führt die unzulässige Verordnung eines darin nicht aufgeführten Mittels als SSB zu einem Schaden der beteiligten Krankenkassen.
3. Nach dem sogenannten normativen Schadensbegriff, der auch im Vertragsarztrecht gilt, muss sich der Geschädigte bei der Ermittlung des eingetretenen Vermögensschadens schadensmindernde Vorteile nur dann entgegenhalten lassen, wenn die Anrechnung dem Zweck des Schadenersatzes entspricht.
4. Die unzulässige Verordnung von SSB führt zum Entstehen eines Regressanspruchs, ohne dass hierfür ein Verschulden des Vertragsarztes im Regressbescheid festgestellt werden muss.
5. Aus dem Umstand, dass die Verordnung eines Mittels als SSB von den Prüfgremien trotz fehlender Verordnungsfähigkeit nicht beanstandet worden ist, erwächst dem Vertragsarzt kein Vertrauensschutz, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in ihrem Fachorgan auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, die SSB-Vereinbarung in der Verordnungspraxis zu beachten.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch im Berufungsverfahren.
Im Übrigen sind zwischen den Beteiligten keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Regress wegen der Verordnung eines Antibiotikums als Sprechstundenbedarf im Quartal I/1998.
Hinsichtlich der Verordnung von Sprechstundenbedarf bestand im Streitquartal zwischen der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (Beigeladene zu 8)) sowie den ebenfalls beigeladenen Landesverbänden der Krankenkassen und Verbänden der Ersatzkassen (Krankenkassenverbänden) die seit dem 01.07.1995 gültige Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-Vereinbarung). Diese sah vor, dass der Sprechstundenbedarf kalendervierteljährlich zu Lasten der Barmer Ersatzkasse erfolgt (Ziff. II. 1 SSB-Vereinbarung). Die Kosten des Sprechstundenbedarfs wurden nach den Fallzahlen eines jeden Abrechnungsquartals unter den Krankenkassenverbänden aufgeteilt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über die Umlage der Kosten des Sprechstundenbedarfs und der Impfstoffkosten der nordrheinischen Vertragsärzte (Umlagevereinbarung)). Als Sprechstundenbedarf galten nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder die zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich sind (Ziff. III.1 Satz 1 SSB-Vereinbarung). Verordnungsfähig waren nur die unter Ziff. IV SSB-Vereinbarung aufgeführten Mittel (Ziff. III.1 Satz 2 SSB-Vereinbarung). Der ersatzweise Bezug anderer Mittel oder Artikel war nicht zulässig (Ziff. III.1 Satz 3 SSB-Vereinbarung). Soweit Mittel, die nur für einen Patienten, auf dessen Namen sie verordnet wurden, nicht mehr benötigt wurden und in der Praxis verblieben, waren sie dem Sprechstundenbedarf zuzuführen (Ziff. III.4 Satz 2 SSB-Vereinbarung). Nach Ziff. IV.3 SSB-Vereinbarung waren näher bezeichnete Desinfektionsmittel ausschließlich zur Anwendung am Patienten als SSB verordnungsfähig. Nach Ziff. VI.1 galt für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie...