Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. maßgeblicher Zeitpunkt. BK 4111. chronische Emphysembronchitis
Orientierungssatz
1. Neue medizinische Erkenntnisse iS des § 551 Abs 2 iVm Abs 1 S 3 RVO bzw § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7 liegen (erstmals) in dem Zeitpunkt vor, in dem sie in einer zur Beratung und wissenschaftlichen Gesamtbewertung durch das maßgebende Gremium geeigneten Form diesem Gremium erstmals vorliegen und lediglich noch Details einer einzuführenden Berufskrankheit zu klären sind.
2. Dieser Zeitpunkt war im Falle der BK 4111 der 14.9.1993, als der kompilierte medizinische Kenntnisstand aufgrund der maßgeblichen wissenschaftlichen Studien erstmals auf einer Sitzung des Medizinischen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Sektion Berufskrankheiten, in einer für die Beurteilung durch den Beirat tauglichen Aufarbeitung zur Verfügung stand.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.9.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Drittel in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch ein Anspruch auf Rente wegen einer gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) anerkannten Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 vom Hundert für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum 13.09.1993.
Die Klägerin ist Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des am 00.00.1921 geborenen und am 00.00.2004 verstorbenen E (Versicherter). Der Versicherte war von 1944 bis 1949 im französischen Steinkohlebergbau und von 1950 bis 1967 bei verschiedenen deutschen Bergbaugesellschaften u.a. als Hauer unter Tage tätig.
Die Bergbau-Berufsgenossenschaft, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, leitete im Januar 1996 ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) gemäß § 551 Abs. 2 RVO alter Fassung (chronische Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau) ein. Nach Beiziehung von Unterlagen aus einem Verfahren betreffend die BK nach Nummer 4101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) gelangte der Technische Aufsichtsdienst im Rahmen einer Best-Case-Annahme zu der Beurteilung (14.2.1996), der Versicherte sei einem Feinstaubsummenwert von 103 Feinstaubjahren ausgesetzt gewesen. Bei einer Worst-Case-Berechnung sei von einer Belastung von 206 Feinstaubjahren auszugehen (27.11.1996).
Mit interner "Anerkennungsverfügung" erkannte die Bergbau-Berufsgenossenschaft eine "entschädigungspflichtige Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO (CB-E)" an und ging von einer MdE von 40 vom Hundert sowie einem Rentenbeginn am 1.9.1994 aus. Sie informierte den Versicherten über die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 1000 DM (Schreiben vom 4.12.1996) und zahlte weitere Rentenvorschüsse.
Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte die Bergbau-Berufsgenossenschaft einen Anspruch auf Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO mit der Begründung ab, nunmehr liege der Entwurf des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Neuordnung der BKV vor. Danach solle künftig die chronisch-obstruktive Bronchitis oder das Emphysem als BK in die Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als BK anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Bei der Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei der Entwurf einer neuen Änderungsverordnung zur BKV mit Aufnahme einer BK Nr. 4111 in die Berufskrankheitenliste im Vorgriff zu berücksichtigen. Ansonsten würde es zu einer nur mit den Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs begründbaren und damit nicht mehr gerechtfertigten Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten kommen, über deren Ansprüche erst nach Inkrafttreten der Änderung der BKV entschieden werden könne. Bei dem Versicherten bestehe eine chronische obstruktive Bronchitis und ein Lungenemphysem. Der Sachverständige Dr. L habe unter Berücksichtigung weiterer Unterlagen, insbesondere eines von Professor Dr. X im Jahre 1986 erstatteten Gutachtens, in seinem Gutachten vom 21.05.1996 den Versicherungsfall auf den 23.1.1986 datiert. Der Versicherungsfall sei demnach nicht, wie in dem Entwurf zur Änderung der BKV gefordert, nach dem 31.12.1992 eingetreten. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten demnach nicht gewährt werden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies dies Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.12.1997 zurück.
Die dagegen vom Versicherten am 12.12.1997 erhobene Klage (S 4 BU 141/97) ist von der Klägerin nach zweifachem Ruhen des Verfahrens (Beschlüsse vom 6.4.1998 und 11.5.2001 - S 4 KN 65/01 U -), Wiederaufnahme nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (1 BvR 235/00) sowie ...