Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist für den Antrag auf Bewilligung von Insolvenzgeld
Orientierungssatz
1. Insolvenzgeld ist nach § 324 Abs. 3 S. 1 SGB 3 innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.
2. Die Frist beginnt mit dem Tag nach dem Eintritt des Insolvenzereignisses und ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers.
3. Insolvenzgeld wird nach § 324 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB 3 geleistet, wenn die Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt worden ist und der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden ist.
4. Dabei muss sich der Antragsteller das Verschulden seines Bevollmächtigten anrechnen lassen. Ist der Anwalt umfassend mit der Durchsetzung von Arbeitsentgeltansprüchen beauftragt, so ist es dem Antragsteller zuzurechnen, wenn der Bevollmächtigte von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt und den von ihm Vertretenen nicht darauf hinweist, dass ein Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 01.10.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis 31.05.2011.
Der 1963 geborene Kläger war seit dem 31.05.2010 befristet bis zum 31.05.2011 bei der H GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) in E als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Die monatliche Bruttovergütung betrug 1.500,00 EUR (netto 1.186,87 EUR). Am 16.03.2011 erhielt er das Arbeitsentgelt für den Monat Februar ausgezahlt, außerdem erhielt er am 30.03.2011 einen Vorschuss i.H.v. 500,00 EUR für den Monat April 2011. Danach wurde ihm kein Lohn mehr ausgezahlt. Die daraufhin vom Kläger vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf - dort vertreten durch seine auch im vorliegenden Verfahren Bevollmächtigten - angestrengte Lohnzahlungsklage endete durch ein Teil- sowie ein Schlussversäumnisurteil vom 26.05.2011 bzw. 14.07.2011 (11 Ca xxx/11). Die Arbeitgeberin wurde darin verurteilt, an den Kläger die noch ausstehende Vergütung für den Monat März 2011 i.H.v. 1.500,00 EUR brutto abzüglich am 30.03.2011 gezahlter 500 EUR sowie für die Monate April und Mai 2011 i.H.v. jeweils 1.500,00 EUR brutto zu zahlen.
Im Juni 2011 stellte die Beklagte auf die wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge gestellten Anträge mehrerer Einzugsstellen mit interner Verfügung fest, die Arbeitgeberin habe ihre Betriebstätigkeit zum 15.01.2011 eingestellt. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III alter Fassung (jetzt: § 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) lägen seither vor; Insolvenztag sei der 15.01.2011. Dies teilte sie den anfragenden Einzugsstellen mit.
Die vom Kläger eingeleitete Vollstreckung - ebenfalls betrieben durch seine Bevollmächtigten - verlief erfolglos. Mit Schreiben vom 24.02.2012 - bei den Bevollmächtigten eingegangen am 28.02.2012 - teilte der zuständige Obergerichtsvollzieher mit, über das Vermögen der Arbeitgeberin sei am 02.02.2012 das Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen xxx bei dem Amtsgericht Düsseldorf eröffnet worden. Dieses Vollstreckungsprotokoll übersandte der Prozessbevollmächtigte dem Kläger.
Tatsächlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf am 28.03.2012 eröffnet (xxx).
Mit Schreiben vom 09.05.2012 wandte sich die BKK Verkehrsbau Union an den Kläger und bat um die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung hinsichtlich seines letzten Arbeitstages bei der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin habe ihn bis zum 31.05.2011 angemeldet; am 14.01.2011 sei das Gewerbe indes abgemeldet worden. Er sei somit über das Insolvenzereignis hinaus bei der Firma beschäftigt bzw. gemeldet gewesen.
Am 21.06.2012 beantragte der Kläger über seine Bevollmächtigten die Gewährung von Insolvenzgeld durch die Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum. Er sei bislang von einem Insolvenzereignis am 02.02.2012 ausgegangen. Durch das Schreiben der BKK Verkehrsbau Union habe er nunmehr Kenntnis von der Gewerbeabmeldung am 14.01.2011 erhalten, so dass er über das Insolvenzereignis hinaus bei der Arbeitgeberin beschäftigt gewesen sei und daher nunmehr Insolvenzgeld begehre.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.10.2012 ab. Sie habe von Amts wegen als maßgebliches Insolvenzereignis (Betriebseinstellung wegen offensichtlicher Masselosigkeit) den 15.01.2011 festgesetzt. Der Kläger habe daher die zweimonatige Frist nach § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III zur Beantragung von Insolvenzgeld versäumt. Eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III könne zwar eingeräumt werden, weil der Kläger erst durch das Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 24.02.2012 Kenntnis von dem anhängigen Insolvenzverfahren er...