Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Beiträge zu einer Privathaftpflichtversicherung. Berechnungselement. gerichtliche Überprüfung. Angemessenheit
Orientierungssatz
1. Gerichte dürfen sich nicht allein auf die Überprüfung eines Berechnungselements der Sozialhilfe (hier: Berücksichtigung der Beiträge zu einer Privathaftpflichtversicherung) beschränken, sondern haben die Leistungsgewährung insgesamt zu überprüfen (vgl BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R).
2. Zur Angemessenheit von Beiträgen zur Privathaftpflichtversicherung.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 09.05.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2006 verurteilt, der Klägerin unter Änderung des Bescheides vom 22.07.2005 für August 2005 Sozialhilfe i. H. v. 347,62 Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte im Rahmen der der Klägerin geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) die von ihr zu zahlenden Beiträge für eine Privathaftpflichtversicherung zu übernehmen bzw. einkommensmindernd zu berücksichtigen hat.
Die 1973 geborene Klägerin bezog seit 1998 laufende HLU nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und bezieht seit dem 01.01.2005 fortlaufend Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ab dem 01.01.2004 wurde ihr eine zunächst bis zum 30.09.2006 (Bescheid vom 27.10.2003) und sodann bis zum 31.05.2009 (Bescheid vom 13.05.2008) weiter befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) bewilligt.
Die Klägerin bewohnt seit Dezember 1994 eine 41 m² große Wohnung. Der Mietpreis pro m² betrug ab November 2004 6,519 Euro, die Höhe der Betriebskosten pro m² lag bei 2,93 Euro. Dies ergab bis zum 30.11.2005 eine monatliche Gesamtmiete von 387,43 Euro. Eine Änderung erfolgte ab Dezember 2005.
Mit Bescheid vom 04.01.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin vom 01.01.2005 monatliche Leistungen nach dem SGB XII i. H. v. 270,00 Euro, wobei sie von dem der Klägerin zuerkannten vollen Regelsatz (345,00 Euro) und den tatsächlichen Unterkunfts- (387,43 Euro) und Heizkosten (87,00 Euro) die von der Klägerin bezogene Rente wegen voller Erwerbsminderung i. H. v. 249,76 Euro in Abzug brachte und den sich hieraus ergebende Betrag von 269,67 Euro auf 270,00 Euro aufrundete.
Nachdem der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die der Klägerin abgezahlte Rente für April auf 543,73 Euro gemindert hatte, gewährte ihr die Beklagte für April Leistungen i. H. v. 275,70 Euro (Bescheid vom 01.04.2005). Mit Bescheid vom 21.04.2005 bewilligte ihr die Beklagte aufgrund der nunmehr i. H. v. 548,25 Euro bezogenen Rente ab Mai 2005 Leistungen i. H. v. 271,18 Euro. Ab dem 01.07.2005 bezog die Klägerin Rente i. H. v. 545,53 Euro. Mit Bescheid vom 22.07.2005 bewilligte ihr die Beklagte Leistungen nach dem SGB XII ab August 2005 i. H. v. 273,90 Euro.
Mit am 11.08.2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin u. a. auch den Beitrag für die von ihr abgeschlossene Haftpflichtversicherung zu übernehmen. Hierzu legte sie eine Rechnung der LVM-Versicherungen vom 18.06.2005 vor, wonach für die von der Klägerin abgeschlossene "Privathaftpflicht für Single" vom 31.07.2005 bis zum 31.07.2006 der Gesamtbeitrag 73,72 Euro betrug. Dieser Beitrag werde am 31.07.2005 fällig und zum 15.08.2005 vom Konto der Klägerin abgebucht.
Mit Bescheid vom 14.09.2005 bewilligte die Beklagte für September 2005 HLU i. H. v. 387,60 Euro und erkannte hierbei den von der Klägerin ebenfalls beantragten Beitrag zur Hausratversicherung als sonstigen laufenden Bedarf gemäß § 27 SGB XII an. Ab Oktober 2005 bewilligte sie der Klägerin mit Bescheid vom 26.09.2005 wieder Leistungen i. H. v. 273,90 Euro.
Mit Bescheid vom 11.10.2005 lehnte die Beklagte die Übernahme des Beitrages für die private Haftpflichtversicherung ab. Die Übernahme komme nur in Betracht, wenn wenigstens ein Kind im Haushalt lebe, das das 7. Lebensjahr vollendet habe. Hiergegen legte die Klägerin am 07.11.2005 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass ein arbeitender, in vergleichbar bescheidenen Verhältnissen lebender Bürger eine solche Versicherung unabhängig vom Vorhandensein von Kindern vernünftigerweise auch abschließen würde. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2006 zurück und führte ergänzend aus, dass in der Person der Klägerin auch kein besonderes bzw. erhöhtes Haftungsrisiko liege.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2006 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, die Beiträge zur Haftpflichtversicherung seien auch für Alleinstehende zu übernehmen. Sie würde ansonsten nicht kalkulierbaren, unversicherten Risiken ausgesetzt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2005...