Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Konkretisierung der in der Berufskrankheit Nr. 2108 BKV - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule - unbestimmten Rechtsbegriffe langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung ist auf das Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) abzustellen.

2. Notwendig ist in medizinischer Hinsicht die Feststellung eines belastungskonformen Schadensbildes, das eine Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung durch die beruflichen Einwirkungen hinreichend wahrscheinlich macht. Dabei dienen die Konsensempfehlungen lediglich als Orientierungshilfe zur Erleichterung der Beurteilung des erforderlichen Kausalzusammenhanges.

3. Unabhängig von den Konsensempfehlungen aus dem Jahr 2005 kann der erforderliche ursächliche Zusammenhang unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes im Einzelfall bejaht werden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 19.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1962 geborene Kläger absolvierte von August 1978 bis Juli 1981 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und im Jahre 1985 eine Ausbildung zum Schweißer. Er war

- von August 1981 bis Juli 1983 als Maschinen-Schlosser unter Tage

- von 1983-1985 als Metallbauer

- von 1986-1993 als Schienenschweißer

- von 1993-1995 als Schlosser

- von 1995-2001 in der Bauwirtschaft (Bodensanierung für Kühlhäuser sowie Innenausbau und Dachsanierung) und

- seit 2001 wieder als Schienenschweißer

im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt.

Seit dem 08.08.2007 war der Kläger arbeitsunfähig. Wegen einer Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) Typ Meyerding I im Bereich der Wirbelkörper L5/S1 erfolgte im Januar 2008 eine Fusions-Operation und Spondylodese (Versteifung von Wirbelkörpern) im Segment L5/S1. Nach einer entsprechenden Umschulung arbeitete der Kläger als Schweißfachmann und in der Schweißaufsicht.

Im August 2008 zeigte die Krankenkasse des Klägers der Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft (MMBG, heute fusioniert in der BG Holz und Metall (BGHM)) eine Berufskrankheit wegen Wirbelsäulenerkrankung an. Auf deren Aufforderung hin übersandte der Kläger unter anderem diverse ärztliche Berichte. Im Bericht der radiologischen Praxis Dr. T vom 29.09.2006 über ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 28.09.2006 wurde eine bekannte Pseudolisthesis im Bereich L5/S1 festgehalten sowie ausgeführt, es lägen degenerative Veränderungen der 3 praesakralen Bandscheiben in Form einer Höhenminderung der Bandscheibe und Dehydratation der Nuklei pulposi, jedoch kein Nachweis eines umschriebenen Bandscheibenvorfalls vor. In einem Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 05.09.2006 wurde unter anderen der Befund aus einer Computertomographie der Lendenwirbelsäule vom 07.06.2006 referiert. Danach liege eine Spondylolisthesis im Bereich L5/S1, jedoch kein Bandscheibenvorfall vor. Das Universitätsklinikum N deutete den Befund der betreffenden Computertomographie in einem Bericht vom 15.10.2006 demgegenüber dahingehend, dass sich in den Segmenten L4/L5 und L3/L4 Bandscheibenprotrusionen befänden.

Die MMBG holte Auskünfte über wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten des Klägers bei verschiedenen Arbeitgebern ein. Im Hinblick auf die Mitgliedschaft des Arbeitgebers, bei dem der Kläger zuletzt als Schienenschweißer tätig war, der X Gleis- und Tiefbau GmbH & Co. KG, bei der Beklagten holte die MMBG eine arbeitstechnische Stellungnahme der Beklagten ein. Nach der unter dem 03.07.2009 erstatteten Stellungnahme der Beklagten zur Arbeitsplatzexposition war der Kläger im Zeitraum vom 15.12.1995 bis zum 31.07.1997 einer Teildosis von 1,4 Millionen Newtonstunden (MNh) und im Zeitraum vom 01.01.1986 bis zum 31.12.1986, vom 19.05.2005 bis zum 31.03.2006 und vom 22.05.2006 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit einer Teildosis von 5,6 MNh ausgesetzt. Die MMBG kam in ihrer unter dem 07.09.2009 selbst erstellten Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition für den Zeitraum vom 01.01.1986 bis zum 31.01.1987, vom 01.02.1987 bis zum 31.01.1989, vom 01.10.2001 bis zum 31.12.2004 und vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 zu einer Teildosis von 9,4 MNh. Im Anschluss an diese arbeitstechnischen Ermittlungen gab die MMBG den Fall an die Beklagte ab, die sich unter dem 01.10.2009 zur Übernahme bereit erklärte.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme von dem Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. M vom 18.09.2009 ein. Dieser führte nach Einsicht von Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule aus, dass sich die medizinischen Voraussetzunge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge