Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. Honorarverteilungsmaßstab. Bildung von Teilhonorarkontingenten. Rückwirkung

 

Orientierungssatz

Eine echte Rückwirkung und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist, dann anzunehmen, wenn Rechtsnormen, die nach Abschluss des für die Leistungserbringung maßgeblichen Zeitraums nachträglich die punktzahlmäßige Bewertung von Leistungen reduzieren, in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreifen und im Nachhinein den Wert der vom Vertragsarzt erbrachten Leistung verringern (vgl BSG vom 17.9.1997 - 6 RKa 36/97 = BSGE 81, 86 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18). Eine derartige Fallgestaltung liegt hinsichtlich einer rückwirkenden Teilhonorarkontingentierung für die Leistungsbereiche Kieferorthopädie (KFO), Zahnersatz (ZE), Parodontose (PAR) sowie Kieferbruch/Kiefergelenk (KB/KG) nicht vor.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen B 6 KA 42/05 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht Honorar einbehalte für die Zeit vom 01.01.2001 bis 18.02.2001 vorgenommen hat.

Durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 17.02.2001 wurden für konservierend-chirurgische Behandlungen (KCH) einerseits und für Kieferorthopädie (KFO), Zahnersatz (ZE), Parodontose (PAR) sowie Kieferbruch/Kiefergelenk (KB/KG) für die Zeit ab 01.01.2001 Teilhonorarkontingente gebildet. Hinsichtlich der Regelung im Einzelnen wird auf § 4 Abs. 1 a des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten verwiesen. Der Beschluss wurde in einer Sonderausgabe des Rheinischen Zahnärzteblattes vom 19.02.2001 bekanntgegeben.

Der Kläger ist in A zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Bescheid vom 13.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2002 nahm die Beklagte vorläufige Honorareinbehalte für das Quartal I/2001 in Höhe von 20.715,81 DM für den Bereich der Primärkassen und 7.397,54 DM für den Bereich der Ersatzkassen vor.

Mit der Schlussabrechnung für das Jahr 2001 vom 08.04.2002 (Anlage zur Quartalsabrechnung für das Quartal IV/2001 vom 12.04.2002) stellte die Beklagte die endgültigen Honorareinbehalte in Höhe von 29.545,61 DM für den Bereich der Primärkassen und 2.209,14 DM für den Bereich der Ersatzkassen fest. Dem Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2002 zurück.

Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die erst am 19.02.2001 bekanntgemachten Ergänzungen des HVM mit Wirkung vom 01.01.2001 verstießen gegen das Rückwirkungsverbot. Dies gelte zumindest für die vor Bekanntgabe des HVM behandelten Fälle. Bei den sogenannten übrigen Leistungsarten (außer konservierend-chirurgischen Leistungen) erfolge eine monatliche Abrechnung jeweils zum 15. des Monats. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitigen HVM-Regelung sei die Leistungserbringung und Abrechnung für die Zeit bis zum 15.02.2001 (Monatsabrechnung Januar am 15.01.2001 und Monatsabrechnung Februar 15.02.2001) bereits abgeschlossen gewesen. Ein Vertragszahnarzt habe nicht damit rechnen können und müssen, dass durch die Beklagte einseitig für diese Leistungsbereiche rückwirkende Honorargrenzen eingeführt würden. Er habe vielmehr davon ausgehen können, dass ihn für diese Leistungen ungekürzte Honorare gezahlt würden; diese Vertrauensposition resultiere daraus, dass nahezu identische Honorarbegrenzungsregelungen für das Vorjahr ausdrücklich bis zum 31.12. des Jahres befristet gewesen seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Quartalsabrechnung für das Quartal IV/01 vom 12.04.2002 nebst Belastungsanzeigen vom 08.04.2002 (Schlussabrechnungen für das Jahr 2001 im Bereich der Primär- und Ersatzkassen) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2002 die bis zum 18.02.2001 abgerechneten Honorare im Bereich der übrigen Leistungsarten ohne Honorareinbehalte auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, das rückwirkende Inkrafttreten für einen Zeitraum von ca. 6 Wochen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unschädlich. Dies gelte insbesondere, weil die letztlich vorgenommenen Einbehalte aufgrund der HVM-Kontingentierung die von den Vertragszahnärzten über das gesamte Jahr 2001 abgerechneten Leistungen beträfen; wäre das erste Quartal unkontingentiert geblieben, wäre die für die verbleibenden Quartale 2001 zur Verfügung stehende Gesamtvergütung deutlich geringer ausgefallen.

Mit Urteil vom 14.07.2004 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte unter Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, dem Kläger die bis zum 18.02.2001 abgerechneten Honorare im Bereich der übrigen Leistungsarten ohne Honorareinbehalt auszuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die In-Kraft-Setzung der Regelung in § 4 Abs. 1 a...

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