Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Berufung durch Formfehler bei E-Mail. Berufungseinlegung per E-Mail. Elektronische Signatur. Schriftform. Berufungsfrist. Wiedereinsetzung
Leitsatz (amtlich)
Eine nicht qualifiziert elektronisch signierte E-Mail genügt nicht den Formerfordernissen für eine wirksame Berufung. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist ist nicht zu gewähren, wenn trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung die Berufung durch eine nicht qualifiziert elektronisch signierte E-Mail erfolgt und diese am letzten Tag der Berufungsfrist nach Geschäftsschluss beim Berufungsgericht eingeht, so dass auf den Mangel der Form nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist hingewiesen werden konnte.
Normenkette
SGG § 67 Abs. 1, § 151 Abs. 1; ZPO § 130a
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens der Berufungsfrist gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 08.11.2006 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Im Vordergrund des Berufungsverfahrens steht die Frage der Zulässigkeit der Berufung des Klägers.
Einen Antrag des Klägers vom Dezember 2003 auf Gewährung von Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom 25.06.2004 ab. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz, gestützt auf Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie ärztliche Gutachten, mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2006 abgewiesen, da der Kläger noch mindestens 6 Stunden arbeitstäglich leichten körperlichen Tätigkeiten unter Beachtung zusätzlicher Leistungsausschlüsse gewachsen sei und mithin die Voraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43; 240 SGB VI) nicht vorlägen.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 16.11.2006 zugestellt. Am Montag, dem 18.12.2006 wurde von einer Frau E W durch einfache, nicht elektronisch signierte E-Mail an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Nach Rückfragen hat der Kläger mit am 30.01.2007 beim LSG eingegangenem Schreiben mitgeteilt, die von Frau W eingelegte Berufung bleibe aufrecht erhalten. Aus Unkenntnis, was eine qualifizierte digitale Signatur sei, habe er Frau W wegen drohenden Fristablaufs gebeten, die Berufung per E-Mail einzulegen. Zudem leide er an psychischen Störungen.
Der Kläger beantragt,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist gegen des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 08.11.2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 53 190451 B 014) sowie der Prozessakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.
II.
Der Antrag des Klägers ist abzulehnen, da die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung hier nicht vorliegen.
Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist ist dem Kläger nicht zu gewähren, da er nicht ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Dies ist der Fall, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist.
Da der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 08.11.2006 dem Kläger am 16.11.2006 zugestellt worden ist, endete die Berufungsfrist von einem Monat (§ 151 Abs. 1 SGG) am Montag, dem 18.12.2006. Die formgerecht eingelegte Berufung des Klägers mit Telefax vom 29.01.2007 ging aber erst am 30.01.2007 und damit verspätet beim LSG ein. Die nach den Angaben des Klägers auf seine Veranlassung am 18.12.2006 beim LSG eingegangene E-Mail der Frau W stellt keine formgerechte Berufungseinlegung dar.
Nach §§ 130 a Zivilprozessordnung (ZPO); 202 SGG i.V.m. §§ 2 Satz 1; 4 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr vom 22.12.2003 sowie Nr. 3 deren Anlage zu § 4 sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen, soweit das Gesetz Schriftform vorsieht. Im Übrigen sollen die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen werden. Da für die Berufung die Schriftform vorgeschrieben ist (§ 151 Abs. 1 SGG),...