Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Sozialhilfe. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12. keine Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII (§ 21 S 1 und § 23 Abs 3 S 1 SGB XII).
2. Ein Anspruch auf Sozialhilfe als Ermessensleistung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kann bei erwerbsfähigen Unionsbürgern, die von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen sind, allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Aufenthalt im Bundesgebiet für mehr als sechs Monate rechtfertigt hierbei regelmäßig keine Ermessenreduktion auf Null (Abweichung von BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 43).
3. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 SGB XII ist nicht verfassungswidrig.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners werden der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 12.11.2015 aufgehoben und der Antrag abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem am 12.10.2015 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Mainz gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1.10.2015.
Der Antragsteller ist spanischer Staatsangehöriger und lebt mit seiner aus seiner Ehefrau und zwei Kindern bestehenden Familie seit Juni 2014 in Deutschland. Sie bewohnen gemeinsam eine 68,72 qm große Wohnung, für die sie monatlich eine Nettokaltmiete von € 417,10, eine Betriebskostenvorauszahlung von € 100 und Heizkosten von € 60 aufwenden. Für die beiden Kinder erhalten sie € 368 Kindergeld monatlich. Vom 1.8.2014 bis zum 31.3.2015 übte der Antragsteller eine Vollzeitbeschäftigung aus, die durch Kündigung des Arbeitgebers beendet wurde. Seit dem 21.10.2015 geht er einer geringfügigen Beschäftigung nach, aus der ihm im November (netto) € 90,83 zugeflossen sind und seit Dezember € 460 zufließen.
Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller und seiner Familie vom 1.4.2015 bis zum 30.9.2015 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Ab dem 1.10.2015 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 8.10.2015 eine Weiterzahlung der Leistungen ab, da der Antragsteller und seine Familie ab diesem Zeitpunkt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch wurde bislang nicht entschieden. Mit Bescheid vom 14.12.2015 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller und seiner Familie im Hinblick auf die erneute Arbeitsaufnahme des Antragstellers wieder Leistungen nach dem SGB II ab dem 21.10.2015 in Höhe von € 430,66 für Oktober 2015, € 1.430,12 für November 2015, € 1.142,13 für Dezember 2015 und jeweils € 1.144,11 für Januar bis März 2016. Er berücksichtigte hierbei die tatsächliche Miete und das zugeflossene Einkommen abzüglich der jeweils maßgeblichen Freibeträge.
Durch Beschluss vom 12.11.2015 (dem Antragsgegner zugestellt am 25.11.2015) hat das Sozialgericht Mainz den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von € 937,10 monatlich für den Zeitraum vom 1.10.2015 bis zum 31.12.2015 und in Höhe von € 941,10 monatlich für den Zeitraum vom 1.1.2016 bis zum 31.3.2016 zu zahlen: Der Antrag betreffe nur den Antragsteller selbst, wie sich aus dem Protokoll der Geschäftsstelle des Sozialgerichts ergebe. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Abgesehen von dem fraglichen Vorliegen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II lägen die Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere der Aufenthalt im Bundesgebiet und die Hilfebedürftigkeit - vor. Der Antragsteller sei aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand sei es möglich, dass der Antragsteller bereits tatbestandlich nicht unter die Ausschlussregelung falle, weil er nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügen könnte. Selbst wenn dies der Fall wäre, dürfte die Ausschlussregelung wegen Verstoßes gegen Art. 4 iVm Art. 70 der Verordnung (EG) 883/2004 europarechtswidrig sein. Darüber hinaus sei der Leistungsausschluss nach der Rechtsauffassung der Kammer verfassungswidrig. Wegen der weiteren Begründung des Sozialgerichts wird auf dessen Beschluss vom 12.11.2015 verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 18.12.2015 bei Gericht eingegangene Beschwerde mit der der Antrag...