Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckbarkeit eines Grundurteils. Einwendungen. Vollstreckungsgegenklage. Vollstreckungshindernis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Grundurteil, das auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ergangen ist, ist nach § 201 SGG vollstreckungsfähig.

2. Ein Urteil kann nach § 201 SGG vollstreckt werden, wenn die Behörde keine Anstalten trifft, das Urteil auszuführen, wenn sie ausdrücklich erklärt, das Urteil nicht ausführen zu wollen oder dem Urteil nur unzureichend nach kommt.

3. Grundsätzlich sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch aus dem Urteil nur durch Vollstreckungsklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen und können im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 201 SGG nicht gehört werden. Ausnahmsweise ist als Vollstreckungshindernis von Amts wegen zu beachten, wenn die Behörde aufgrund eines zwischen den Beteiligten ergangenen späteren rechtskräftigen Urteils die in dem früheren Urteil ausgesprochene Verpflichtung nicht mehr zu erfüllen hat, da ansonsten eine Vollstreckung des früheren Urteils dazu führen würden, daß gegen den Umfang der materiellen Rechtskraft des später ergangenen Urteils verstoßen und die Behörde zum Erbringen einer ihr rechtlich unmöglichen Leistung gezwungen würde.

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Beschluss vom 05.01.1999; Aktenzeichen S 10 A 242/89)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 05.01.1999 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Vollstreckung eines Urteils.

Mit Urteil vom 08.11.1990 hatte das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Beschwerdegegnerin verurteilt, dem Beschwerdeführer vorzeitiges Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG ab 01.08.1989 zu gewähren. Die Beschwerdegegnerin hatte das Urteil zunächst mit Bescheid vom 17.01.1991 ausgeführt. Allerdings wurde dieser Bescheid mit Urteil des Bayerischen LSG vom 24.05.1994 (L 11 An 23/92) aufgrund des Begehrens des Beschwerdeführers aufgehoben und die Beschwerdegegnerin nach dessen Antrag gemäß § 25 Abs. 6 AVG (in der bis 31. Dezember 1991 gültigen Fassung vom 13. Mai 1986) verurteilt, dem Beschwerdeführer erst ab 01.05.1990 Altersruhegeld zu zahlen. Dieses Urteil hat die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 31.01.1995 ausgeführt und dem Beschwerdeführer ab 01.05.1990 Rente gewährt.

Mit Beschluss vom 05.01.1999 hat das Sozialgericht Koblenz einen Antrag des Beschwerdeführers vom 04.11.1998 auf Vollstreckung des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.11.1990 zurückgewiesen.

Gegen den ihm am 08.01.1999 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 12.01.1999 Beschwerde eingelegt und begehrt nun wieder die Rentenzahlung ab 01.08.1989.

Die zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Vollstreckung des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.11.1990 (Az.: L 5 A 26/90) nach § 201 Satz 1 SGG gegen die Beklagte zusteht.

Nach dieser Vorschrift kann das Sozialgericht auf Antrag ein Zwangsgeld bis zu 2.000 DM durch Beschluss androhen und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen, wenn die Behörde einer ihr durch Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Grundsätzlich ist das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.11.1990 nach § 201 SGG als Grundurteil, das auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ergangen ist, vollstreckungsfähig. Voraussetzung der Vollstreckung sind die Vorlage eines Vollstreckungstitels (des rechtskräftigen Urteils) und der Zustellung. Ob zusätzlich eine Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) erforderlich ist, die für das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.11.1990, nicht erteilt ist, lässt der Senat hier dahinstehen (vgl. zum Meinungsstand: Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 201 Rdn. 3 m.w.N.), da das Urteil auch mit Vollstreckungsklausel nicht vollstreckbar wäre.

Zur Zulässigkeit eines Antrags auf Zwangsvollstreckung gehört auch, dass die Behörde keine Anstalten trifft, das Urteil auszuführen, wenn sie ausdrücklich erklärt, das Urteil nicht ausführen zu wollen oder sie sonst grundlos säumig bleibt; darüber hinaus erfaßt die Vorschrift aber auch die Fälle, in denen die Behörde dem Urteil nur unzureichend nachkommt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, E-LSG B-041). Liegen diese Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung vor, ist das Urteil nach § 201 SGG zu vollstrecken. Dies ist aber hier nicht der Fall.

Nachdem das Urteil des Bayerischen LSG vom 24.05.1994 rechtskräftig geworden ist, kann das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.11.1990 hinsichtlich des jetzt vom Kläger wieder gewünschten früheren Rentenbeginns mit dem 01.08.1989 statt des 01.05.1990 nicht mehr ausgeführt werden. Dies ist hier auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 201 SGG von Amts wegen zu beachten, während ansonsten Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch aus dem Urteil nur durch Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend gemacht werden können (vgl. Meyer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?