Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde wegen Untätigbleibens des Sozialgerichts. Rechtsschutzbedürfnis für Untätigkeitsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde gegen das Untätigbleiben des Sozialgerichts (sogenannte Untätigkeitsbeschwerde) auf eine Klage ist nicht gegeben, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozialgerichts bereits der Termin der mündlichen Verhandlung bestimmt worden ist.

 

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer begehrt sinngemäß, das Sozialgericht zu verpflichten, alsbald den Termin der mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über seine Klage zu bestimmen.

Der Kläger war nach seinen Angaben von 1980 bis 31.3.1999 als Pflegeperson für seine pflegebedürftige Mutter tätig. Einer anderen Beschäftigung ging er nicht nach. Seit 1.4.1995 wurden für ihn wegen seiner Tätigkeit als Pflegeperson Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Vom 1.4.1999 an wird die Mutter des Klägers nicht mehr von diesem betreut.

Am 23.3.1999 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg) bzw. Arbeitslosenhilfe (Alhi). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.4.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.6.1999 ab. Zur Begründung wurde dargelegt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg oder Alhi nach §§ 117 ff., 190 ff. des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III). Er habe innerhalb der nach § 192 S. 2 Nr. 3 SGB III verlängerten Vorfrist (23.3.1996 bis 22.3.1999) weder fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden noch eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftzeit dienen könne. Die Pflegetätigkeit begründe weder ein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der §§ 24 ff. SGB III noch ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 168 Abs. 1 S. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Am 22.7.1999 hat der Kläger Klage erhoben und sinngemäß beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 29.4.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.6.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Nach Vorlage der Klageerwiderung und einer Stellungnahme des Klägers hat der Vorsitzende der zuständigen Kammer am 29.11.1999 die Gerichtsakte „zum Termin” verfügt.

Mit Verfügung vom 12.7.2001 hat er Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 5.9.2001 bestimmt.

Mit Schreiben vom 23.7.2001 hat der Kläger vorgetragen: Er lehne das Sozialgericht „wegen Untätigkeit” ab. Er sei seit „fast 2 Jahren ohne Nachricht” gelassen worden und fühle sich beschwert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Sozialgericht zu verpflichten, alsbald den Termin der mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über seine Klage zu bestimmen.

Die Gerichtsakte S 5 AL 455/99 Sp (L 1 B 88/01 LSG Rheinland-Pfalz) ist Gegenstand der Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Die Beschwerde des Klägers gegen das Untätigbleiben des Sozialgerichts auf seine Klage vom 23.7.1999 ist allerdings in entsprechender Anwendung des § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft (vgl. Beschl. des Senats vom 12.4.2000 – L 1 B 49/2000 –, in Breithaupt 2000, 618 ff.).

Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil dem Kläger das notwendige Rechtsschutzbedürfnis für sein Begehren fehlt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde gegen das Untätigbleiben des Sozialgerichts (sog. Untätigkeitsbeschwerde) auf eine Klage ist nicht gegeben, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozialgerichts bereits der Termin der mündlichen Verhandlung bestimmt worden ist. Das Rechtsschutzziel der Untätigkeitsbeschwerde ist auf die möglichst alsbaldige gerichtliche Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren – oder eine Zwischenentscheidung – gerichtet. Ist dieses Rechtsschutzbegehren eine Klage, so ist das Rechtsschutzziel jedenfalls dann erreicht, wenn der Termin der mündlichen Verhandlung bestimmt ist. Ein weitergehender Rechtsschutz im Wege der Untätigkeitsbeschwerde ist ausgeschlossen.

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Begehren des Klägers das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Kammervorsitzende hatte bereits mit Verfügung vom 12.7.2001 – und damit noch vor Beschwerdeerhebung (23.7.2001) – den Termin der mündlichen Verhandlung (auf den 5.9.2001) bestimmt.

Danach ist die Beschwerde des Klägers gegen das Untätigbleiben des Sozialgerichts mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und daher zu verwerfen.

2. Bei dieser Sachlage hatte der Senat nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger gem. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Menschenrechtskonvention (MRK) einen Rechtsanspruch auf alsbaldige Bestimmung des Termins der mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über seine Klage gehabt hat (zu den diesbezüglichen Rechtsgrundsätzen vgl. Beschl. des Senats vom 12.4.2000 a.a.O.). Hierfür spricht allerdings auch unter Berücksichtigung der Geschäftsbelastung der Kammer und einer großzügig zu bemessenden Überlegungsfrist für die sorgfältige rechtliche P...

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