Verfahrensgang

SG Mainz (Aktenzeichen S 3 A 126/91)

 

Tenor

Das Gesuch der Beklagten, den Richter H. vom Sozialgericht Mainz wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil er mit der prozeßbevollmächtigten Rechtsanwältin des Klägers verheiratet ist, wird für begründet erklärt.

 

Gründe

Das Eheverhältnis an sich reicht schon als Ablehnungsgrund nach §§ 60 Abs. 1 SGG, 42 Abs. 2 ZPO aus. Diese persönliche Beziehung ist ohne weiteres – ohne daß noch besondere Umstände hinzutreten müssen – geeignet, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.

Damit stellt das Eheverhältnis zwar einen generellen Ablehnungsgrund dar und ist deshalb eigentlich mit einem gesetzlichen Ausschluß (§ 41 ZPO) vergleichbar. Daß es nicht als Ausschlußgrund normiert ist, steht aber einer Ablehnung nicht entgegen. Vielmehr kann die – im Belieben der Prozeßbeteiligten liegende – Ablehnungsmöglichkeit gerade als Korrektiv dafür gesehen werden, daß der Gesetzgeber das Eheverhältnis des Richters/der Richterin zu einer Prozeßbevollmächtigten/einem Prozeßbevollmächtigten anders als zu einer/einem Prozeßbeteiligten (§ 41 Nr. 2 ZPO) nicht als Ausschlußgrund gewertet hat. Es ist durchaus anerkannt, daß das Ablehnungsrecht die insgesamt recht eng geschnittenen Ausschlußgründe des § 41 ZPO korrigieren kann (vgl Kommentar von Meyer-Ladewig, 4. Auflage 1991, RdNr. 7 am Ende zu § 60 SGG). Für diese Auffassung spricht auch die Regelung in § 16 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Nr. 2 SGB X, nach der im Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden darf, wer Ehegatte einer Person ist, die einen Beteiligten in diesem Verfahren vertritt. Begründet das Eheverhältnis also im Verwaltungsverfahren sogar den Ausschluß, dann muß es im Gerichtsverfahren jedenfalls die Ablehnung rechtfertigen. Der Unterschied besteht nur darin, daß das Eheverhältnis im Gerichtsverfahren von einem der Prozeßbeteiligten geltend gemacht werden muß. Das setzt allerdings voraus, daß der Richter/die Richterin es – entsprechend der Verpflichtung, ein faires Verfahren zu gewährleisten – offenbart. Das darauf gestützte Ablehnungsgesuch ist dann stets begründet. Außer dem Eheverhältnis sind auch andere generelle Ablehnungsgründe denkbar. Sie sind dem Recht nicht fremd (vgl § 60 Abs. 3 SGG).

Was für die Ablehnung durch einen Prozeßbeteiligten nach § 42. ZPO gilt, muß in gleicher Weise für eine sogenannte Selbstablehnung des Richters/der Richterin nach § 48 ZPO gelten. Beide Ablehnungen richten sich nach denselben kriterien. Daher vermag der Senat der Entscheidung des 4. Senats dieses Gerichts vom 25.9.1992 – 4 Sb 65/92 –, nach der das Eheverhältnis allein für eine sogenannte Selbstablehnung des Richters H. nicht genügt, nicht zuzustimmen. Folglich wird der Richter H. in allen Fällen, in denen die Beklagte kein Ablehnungsgesuch gegen ihn anbringt, den Senat von sich aus im Rahmen des § 48 ZPO anrufen müssen.

Durch die Ablehnung wird die Ehefrau des Richters H. nicht daran gehindert, weiterhin Mandate zu übernehmen. Zuständiger Richter ist jeweils der in der Geschäftsverteilung des Sozialgerichts bestimmte Vertreter.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Unterschriften

gez. Dr. Wallau, gez. Roos, gez. Geier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1508594

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