Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsverwaltungsakt. Verpflichtung zur Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit zur Betreuung von Senioren, Kindern oder behinderten Menschen. fehlende Qualifikation
Orientierungssatz
1. Ein Eingliederungsverwaltungsakt gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2, der einen Hilfebedürftigen verpflichtet an einer Arbeitsgelegenheit zur Betreuung von Kindern, Jugendlichen, Senioren und behinderten Menschen teilzunehmen, ist wegen der an eine solche Betreuungstätigkeit zu stellenden hohen fachlichen Anforderungen rechtswidrig, wenn der Hilfebedürftige über keinerlei berufliche oder sonstige Vorkenntnisse bzw Erfahrungen verfügt.
2. Eine nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage gem § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 ist nicht angezeigt. Eine solche ist nur möglich, wenn ein Teil des Verwaltungsakts selbständig und unabhängig von dem anderen bestehen bleiben bzw aufgehoben werden kann, zwischen den Teilen kein unabdingbarer Zusammenhang besteht, ein Teil durch die Aufhebung eines anderen Teils keinen anderen Inhalt erlangt und anzunehmen ist, dass der Verwaltungsakt auch nur mit dem rechtmäßigen Teil erlassen worden wäre. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei einem Eingliederungsverwaltungsakt nicht um einen teilbaren Verwaltungsakt. Da sich eine Eingliederungsvereinbarung bzw ein sie ersetzender Verwaltungsakt als das Instrument einer auf den Einzelfall angepassten Eingliederungsstrategie mit einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen darstellt, ist die für die Teilbarkeit eines derartigen Verwaltungsakts erforderliche Annahme, dass dieser von der Behörde auch ohne die als rechtswidrig erkannten Regelungen erlassen worden wäre, grundsätzlich nicht gerechtfertigt.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGB II § 10 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 6, § 16d Abs. 1 S. 1, § 39 Nr. 1
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 20.02.2015 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 17.01.2015 gegen den Bescheid vom 15.01.2015 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines am 17.01.2015 erhobenen Widerspruchs gegen den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 15.01.2015.
Der bis Ende 2004 als Bankkaufmann tätige Antragsteller erhält mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern seit mehreren Jahren vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung seines Einkommens aus seiner selbständigen Tätigkeit als Versicherungsmakler. Nachdem eine Eingliederungsvereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen war, ersetzte der Antragsgegner diese nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II durch Verwaltungsakt vom 15.01.2015. Darin war u.a. für die Zeit vom 02.02.2015 bis zum 18.07.2015 als Verpflichtung des Antragstellers aufgeführt die regelmäßige Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16d Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft K GmbH, die unterschiedliche Arbeitsbereiche anbietet. Für den Antragsteller sollte vor dem Hintergrund seiner beruflichen Interessen, Neigungen und Fähigkeiten ein Einsatz in den Arbeitsbereichen der K GmbH und in über diese vermittelten Kooperationsbetrieben (Hausmeistertätigkeiten, Betreuungstätigkeiten von Senioren, Betreuungstätigkeiten von Kindern und/oder Jugendlichen, Betreuungstätigkeiten von behinderten Menschen, Hauswirtschaftshelfertätigkeiten, Botendienste) in Betracht kommen. Die regelmäßige Arbeit sollte grundsätzlich zwischen 7.30 Uhr und 16.30 Uhr mit einem Umfang von bis zu 20 Stunden abgeleistet und der konkreten Einsatzstelle angepasst werden.
Außerdem sind unter Punkt 2.2 Eigenbemühungen des Antragstellers in den nächsten 6 Monaten und der Nachweis von monatlich 8 Bewerbungsbemühungen jeweils bis zum 15. des Folgemonats geregelt.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 17.01.2015 Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.
Pflichtgemäß erschien der Antragsteller am 02.02.2015 um 9.00 Uhr zum Aufnahmegespräch in der Beschäftigungsgesellschaft K GmbH, trat aber die Maßnahme nicht an, weil er in dieser “keinen Sinn sah.„
Seinen am 18.01.2015 gestellten Antrag auf “Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs„ und der “Aussetzung der Vollziehung„ lehnte das Sozialgericht Koblenz durch Beschluss vom 20.02.2015 ab.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 22.02.2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde: Das Sozialgericht habe sich mit seinen Ausführungen erkennbar nicht auseinandergesetzt und bei seiner Entscheidung ...