Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sonderkündigungsrecht. Beitragssatzerhöhung zeitgleich mit der Vereinigung von Krankenkassen. Wirksamkeit der Kündigung. rechtswidrige Verweigerung der Kündigungsbestätigung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Sonderkündigungsrecht des Versicherten wegen Beitragssatzerhöhung nach § 175 Abs 4 S 5 SGB 5 besteht auch dann, wenn eine aus einer Vereinigung von Betriebskrankenkassen hervorgegangene Betriebskrankenkasse erstmals ihren Beitragssatz festgesetzt und dieser höher ist, als der Beitragssatz der Kasse, der der Versicherte zuvor angehört hat.
2. Für den Fall, dass die Krankenkasse eine Kündigungsbestätigung rechtswidrig verweigert hat, wird die Kündigung entgegen § 175 Abs 4 S 4 SGB 5 auch dann wirksam, wenn der Versicherte die Mitgliedsbescheinigung nicht "innerhalb der Kündigungsfrist" vorlegt.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 5.7.2004 aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller eine Kündigungsbestätigung über die am 25.3.2004 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zu erteilen.
2. Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm seine am 25.3.2004 ausgesprochene Kündigung wegen Beitragssatzerhöhung zu bestätigen. Der Antragsteller ist seit 1.4.2003 Mitglied der gleichnamigen Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin. Der Beitragssatz betrug zuletzt 12,8 v.H. Zum 1.4.2004 vereinigte sich die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit der BKK Braunschweig zu der Antragsgegnerin, die den allgemeinen Beitragssatz auf 13,8 v.H. festsetzte. Mit Schreiben vom 25.3.2004 kündigte der Antragsteller wegen der “Beitragserhöhung„ seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zum 31.5.2004. Mit Bescheid vom 8.4.2004 und Widerspruchsbescheid vom 8.6.2004 wies die Antragsgegnerin die Kündigung zurück, weil die erstmalige Beitragsfestsetzung durch die nach einer Vereinigung entstandene Krankenkasse keine Betragserhöhung darstelle und deshalb kein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) begründe. Hiergegen hat der Antragsteller am 15.6.2004 Klage zum Sozialgericht Koblenz erhoben und gleichzeitig beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unverzüglich eine Kündigungsbestätigung zum 30.6.2004 auszustellen; falls nicht genügend Zeit für die Suche nach einer neuen Kasse bleibe, sei die Kündigungsbestätigung entsprechend später auszustellen. Mit Beschluss vom 5.7.2004 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehle es an einem Anordnungsanspruch, denn bei der gebotenen summarischen Prüfung seien die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen. Es sei fraglich, ob eine zur Sonderkündigung berechtigende Beitragssatzerhöhung im Sinne des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V vorliege, wenn die nach einer Fusion entstandene neue Krankenkasse erstmalig einen Beitragssatz festsetze, der über dem Beitragssatz einer an der Fusion beteiligten Vorgängerkrankenkasse liege. Im Übrigen sei noch klärungsbedürftig, ob z.B. der rechtzeitige Nachweis der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse als weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sonderkündigungsrechts (§ 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V) erbracht sei. Unabhängig davon bestehe auch kein Anordnungsgrund, da der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache begehre, die hier auch nicht ausnahmsweise zulässig sei. Denn dem Antragsteller drohten keine wesentlichen Nachteile, wenn seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. längstens bis zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung fortbestehe. Die vorübergehende Belastung mit dem höheren Beitragssatz stelle nur einen geringfügigen Nachteil dar, dessen Ausgleich zudem bei einem Obsiegen in der Hauptsache möglich erscheine (Hinweis auf SG Dresden, B.v. 8.6.2004 - S 18 KR 340/04 ER; SG Freiburg, B.v. 25.6.2004 - S 5 KR 2091/04 ER). Demgegenüber bestehe bei Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung für die Antragsgegnerin die Gefahr, dass sie im Falle eines späteren Obsiegens in der Hauptsache ihre Beitragsansprüche gegenüber dem Antragsteller nicht mehr realisieren könne. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 19.7.2004 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, die Antragsgegnerin habe bereits einmal zum 1.9.2003 infolge Fusion den Beitragssatz von 11,9 v.H. auf 12,8 v.H. erhöht. Die mit der Fusion zum 1.4.2004 erfolgte erneute Beitragssatzerhöhung auf 13,8 v.H. sei nicht mehr nachvollziehbar und begründe zu seinen Gunsten ein Sonderkündigungsrecht. Das werde bestätigt durch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (L 2 B 16/04 KR E...