Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer rückwirkenden Entziehung der Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis

 

Leitsatz (amtlich)

Ebenso wie eine rückwirkende Entziehung der Zulassung zum Vertragsarzt ist auch eine rückwirkende Entziehung der Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis nicht zulässig.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 8.11.2001 sowie der Bescheid des Beklagten vom 16.2.2000 aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die außergerichtliche Kosten des Klägers in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Rücknahme der dem Beigeladenen zu 8) erteilten Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis mit dem Kläger.

Der Kläger, Facharzt für Radiologie, betrieb bis zu seinem Zulassungsverzicht im Jahr 2000 zusammen mit (wechselnden) anderen Ärzten eine Gemeinschaftspraxis. Mit Beschluss vom 13.5.1991 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk K. dem Beigeladenen zu 8) die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in K. Mit Beschluss vom gleichen Tag entsprach der Zulassungsausschuss dem Antrag des Klägers und des Beigeladenen zu 8) sowie der Ärzte für Radiologie Dr P. und Dr L. auf Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis ab dem 14.5.1991. Zum 31.3.1992 schied der Beigeladene zu 8) aus der Gemeinschaftspraxis aus und verzichtete auf seine Zulassung sowie auf seine Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis (Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 26.3.1992).

Mit Schreiben vom 28.10.1999 beantragte die Beigeladene zu 1) beim Zulassungsausschuss, die Zulassung des Beigeladenen zu 8) und die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis rückwirkend zurückzunehmen. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene zu 8) habe während seiner Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis nur den Status eines angestellten Arztes gehabt, wie sich aus in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sichergestellten Unterlagen ergebe.

Durch Beschlüsse vom 6.12.1999 nahm der Zulassungsausschuss die Zulassung des Beigeladenen zu 8) zum Vertragsarzt und die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis gemäß § 45 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung hieß es: Die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis könne nur erhalten, wer Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis sei. Die Abgrenzung zum freien Mitarbeiter bzw zum angestellten Arzt, die beide nicht Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis sein könnten, könne nur anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Einzelheiten der vertraglichen Regelung vorgenommen werden. Als Beurteilungsgrundlage greife er, der Zulassungsausschuss, auf eine Ausarbeitung der Bundesärztekammer (veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt vom 26.4.1990, Heft 17, S 40 f) zurück. Aus den zwischen den beteiligten Ärzten im vorliegenden Fall getroffenen Vereinbarungen ergebe sich, dass der Beigeladene zu 8) zu keinem Zeitpunkt Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis, sondern als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Darüber hinaus sei er weder am Praxisvermögen noch am Good-will beteiligt gewesen; ein Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben habe nicht bestanden und im Innenverhältnis sei die Freistellung von allen Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten erfolgt; schließlich seien wie bei einem Arbeitnehmer “als Gewinnbeteiligung" ein fester Betrag von 15.000 DM monatlich sowie eine sechswöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und ein dreißigtägiger Erholungsurlaub vereinbart worden. Auf Vertrauen in den Bestand des Beschlusses über die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis könne sich der Kläger nicht berufen (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X), da sich die Vertragspartner von Beginn an bewusst gewesen seien, dass die Voraussetzungen für eine Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 8) nicht erfüllt gewesen seien. Ein wichtiges Indiz für diese Schlussfolgerung sei der Umstand, dass der Beigeladene zu 8) unmittelbar nach seiner Zulassung in den Vertragsarztstempel der Gemeinschaftspraxis aufgenommen worden sei; damit habe offenbar im Rechtsverkehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Aufnahme in die Gemeinschaftspraxis erweckt werden sollen, obwohl dies allenfalls in ferner Zukunft beabsichtigt gewesen sei.

Mit Beschluss vom 16.2.2000 verwarf der Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden Beklagter) den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil der Widerspruch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 44 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) begründet worden sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen vom Kläger am 27.4.2000 erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 8.11.2001 - S 8 KA 224/00 (dem Kläger zugestellt am 19.12.2001) abgewiesen, weil der Beklagte den Widerspruch zu R...

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