Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme. stationäre Liposuktion
Orientierungssatz
Zur Kostenübernahme einer stationären Liposuktion im Rahmen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.07.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf stationäre Liposuktionen als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hat.
Die 1976 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einem Lipödem an beiden Beinen. Am 06.01.2015 legte sie ein Gutachten des Dr. R , Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Handchirurgie, vor, der ausführte, das seit 25 Jahren bestehende Lipödem sei therapieresistent, weitere konservative Maßnahmen seien nicht zielführend. Erforderlich sei eine Liposuktion an beiden Beinen in zwei stationären Operationen. Es werde um Stellungnahme bezüglich der Kostenübernahme im dargelegten Fall gebeten. Mit Schreiben vom 16.01.2015 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Begutachtung; mit Schreiben vom gleichen Tag teilte sie der Klägerin mit, dass für ihre Entscheidung ein Gutachten des MDK erforderlich sei und dies bereits in Auftrag gegeben worden sei. Sobald das Ergebnis vorliege, werde sie umgehend informiert. Der MDK forderte mit Schreiben vom 26.01.2015 weitere Befunde an. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.02.2015 mit, das Gutachten habe noch nicht erstattet werden können, da die angeforderten Unterlagen fehlten. Mit Schreiben vom 10.02.2015 forderte die Beklagte bei der Klägerin im Auftrag des MDK Berichte über in B und B durchgeführte Rehabilitationsmaßnahmen an. Die Ärztin im MDK Dr. G gelangte in ihrem Gutachten vom 17.02.2015 zu dem Ergebnis, die beantragten Liposuktionen seien aus sozialmedizinischer Sicht nicht notwendig. Am 18.02.2015 gingen bei der Beklagten die angeforderten Unterlagen ein. Mit Schreiben vom 25.02.2015 teilte die Beklagte der Klägerin erneut mit, dass über den Antrag noch nicht habe entschieden werden können, weil ein Gutachten erforderlich sei. In einem weiteren Gutachten vom 16.03.2015 hielt Dr. G , MDK, an ihrer Auffassung fest. Mit Bescheid vom 19.03.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems sei grundsätzlich keine Kassenleistung. Es fehle an evidenzbasierten Nachweisen. Eine lebensbedrohliche Erkrankung, die in Einzelfällen die Kostenübernahme rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Hiergegen legte die Klägerin am 20.04.2015 Widerspruch ein und machte geltend, die beantragte Leistung gelte als genehmigt, da die Beklagte nicht fristgerecht entschieden habe.
Am 09.05.2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Speyer erhoben. Durch Urteil vom 14.07.2016 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einer zweischrittigen stationären Liposuktion der Beine als Sachleistung zu versorgen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Zulässigkeit stehe nicht entgegen, dass die Beklagte einen ablehnenden Bescheid erlassen und über den dagegen gerichteten Widerspruch noch nicht entschieden habe. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit den beantragten stationären Liposuktionen sei § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Antrag vom 06.01.2015 habe einen genehmigungsfähigen Inhalt. Er betreffe eine ihrer Art nach nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Leistung (Hinweis auf BSG 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R -, juris, Rn. 25 ff). Bei der Klägerin bestehe unzweifelhaft eine behandlungsbedürftige Krankheit in Gestalt des Lipödems. Eine Krankenhausbehandlung sei als solche eindeutig eine zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Maßnahme. Die Praxisklinik Dr. R sei zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassen. Die begehrte stationäre Behandlung sei des Weiteren im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V eine Leistung zur Behandlung der Krankheit Lipödem. Ob eine Liposuktion im Ausnahmefall zu leisten sei oder nicht, könne erst nach Prüfung aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Beklagte habe diese Prüfung unter Einbeziehung des MDK auch durchgeführt. Es könne offen bleiben, ob der Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetze, dass der Versicherte die beantragte Leistung subjektiv für erforderlich halten dürfe, da dies vorliegend jedenfalls der Fall gewesen sei. Die Beklagte habe über den Antrag nicht innerhalb der maßgeblichen Fristen entschi...