Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Krankengeldanspruchs. Gerichtlich angeordnete Unterbringung

 

Orientierungssatz

Der Anspruch auf Krankengeld ruht für die Dauer einer gerichtlich angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 16.04.1987; Aktenzeichen S 5 K 18/86)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16.4.1987 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Weiterzahlung von Krankengeld auch für die Dauer seiner gerichtlich angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Der 1961 geborene Kläger ist an einer paranoiden Schizophrenie mit systematisiertem Verfolgungswahn erkrankt. Eine strafgerichtlich nach § 63 StGB angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde zunächst auf Bewährung ausgesetzt, weil der Kläger sich am 11.3.1983 freiwillig in stationäre Behandlung in das W.krankenhaus K. Taunus begab. Von dort wurde er am 28.8.1985 aufgrund eines Sicherungshaftbefehls des Landgerichts Wiesbaden in die Klinik für gerichtliche Psychiatrie in H. verlegt, wo er bis 6.11.1985 vorläufig nach § 453 c StPO untergebracht war. Ab 7.11.1985 wird in dieser Klinik die rechtskräftige Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen (Mitteilung der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Wiesbaden vom 28.11.1985). Anspruch auf Krankenfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz besteht ab 28.8.1985.

Durch Bescheid vom 23.12.1985 und Widerspruchsbescheid vom 5.3.1986 stellte die Beklagte die Krankengeldzahlungen an den Kläger zum 28.8.1985 ein, weil aufgrund seiner Unterbringung der Anspruch nach §§ 12 Ziffer 9 Abs. 1 Buchstabe a der Versicherungsbedingungen, 216 Abs. 1 Nr. 1 RVO ruhe.

Mit der gleichen Begründung hat das Sozialgericht Koblenz die auf Weitergewährung von Krankengeld gerichtete Klage durch Urteil vom 16.4.1987 abgewiesen.

Gegen das am 25.4.1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.5.1987 die Berufung eingelegt.

Er meint, in der von der Beklagten angeführten Vorschrift der Versicherungsbedingungen sei der Anspruch auf Krankengeld bei dem Vollzug einer Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16.4.1987 sowie den Bescheid vom 23.12.1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.3.1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 28.8.1985 hinaus Krankengeld zu gewähren,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Vorentscheidungen sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat über den 28.8.1985 hinaus keinen Krankengeldanspruch. Dieser Anspruch ruht nach § 12 Ziffer 9 Abs. 1 Buchstabe a der Versicherungsbedingungen der Beklagten wegen der gerichtlich angeordneten Unterbringung des Klägers in dem psychiatrischen Krankenhaus in H..

In der genannten Vorschrift ist der Krankengeldanspruch zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Er wird aber vom Begriff „Krankenhilfe” umfaßt. Obwohl dieser Begriff im Leistungskatalog des § 12 Ziffer 1 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen nicht enthalten ist, kann es jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß es sich in § 12 Ziffer 9 der Versicherungsbedingungen um den gleichen Oberbegriff wie in der RVO handelt, wo der Krankengeldanspruch zur Krankenhilfe gehört (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Die streitige Ruhensvorschrift ist der Regelung in § 216 As 1 Nr. 1 RVO wörtlich nachgebildet. Daher ist anzunehmen, daß sie auch inhaltlich die gleiche Bedeutung haben soll. Danach betrifft die Krankenhilfe auch den Krankengeldanspruch. Das ergibt sich schließlich aus dem – hier nicht anwendbaren – zweiten Halbsatz der Regelung, wonach den Angehörigen des krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Versicherten auch während einer gerichtlich angeordneten Unterbringung Krankengeld zu gewähren ist, wenn er diese bisher von seinem Arbeitsentgelt ganz oder teilweise unterhalten hat.

Es steht somit fest, daß nach § 12 Ziffer 9 Abs. 1 Buchstabe a erster Halbsatz der Versicherungsbedingungen genauso wie nach § 216 Abs. 1 Nr. 1 erster Halbsatz RVO der Krankengeldanspruch des Versicherten, der bisher keine Angehörigen unterhalten hat, ruht, solange er sich in Untersuchungshaft befindet oder gegen ihn eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. Gemeint ist der Vollzug strafgerichtlicher freiheitsentziehender Anordnungen einschließlich entsprechender vorläufiger Maßnahmen (BSG, Urteil vom 10.3.1987 – 3 RK 23/86 –). Hierzu gehört eindeutig die nach § 63 StGB angeordnete Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus. Sie ist nach § 61 Nr. 1 StGB eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und...

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