Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 29.06.1995; Aktenzeichen S 2 U 63/94) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29.6.1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin (M) bei seinem Unfall vom Januar 1993 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und –bejahendenfalls– welcher Unfallversicherungsträger für die Entschädigung des Unfalls zuständig ist.
M war Mieter in einem über 100 Jahre alten Dreifamilienhaus in der Wilhelmstraße … in I.. Das Grundstück steht im Eigentum der in der Wilhelmstraße … wohnenden Zeugin B.; auf dem Grundstück befinden sich noch ein weiteres Mietshaus und eine ebenfalls der Zeugin B. und ihrem Ehemann gehörende Fabrik. Der Keller des Hauses Wilhelmstraße … wird von allen Mietern genutzt. Er besteht aus dem Kellerabgang, einem Flur und Kellerräumen der Mieter. Die Kellerwände sind gemauert; der Boden besteht aus gestampfter Erde. Jede Mietpartei besitzt in ihrem Keller einen Öltank, aus dem im Bedarfsfall Öl zu holen ist. Lediglich eine betagtere Mieterin hat ihren Tank mit einer Steigleitung versehen.
Einen schriftlichen Mietvertrag haben M bzw. die Klägerin und die Zeugin B. nicht abgeschlossen. Es gab auch keine Vereinbarung mit der Vermieterin darüber, wer bei Notlagen oder Schäden, beispielsweise Hochwasser, eingreifen sollte. M hatte keinerlei Tätigkeiten für die Vermieterin wahrzunehmen.
Am 12.1.1993 führte die Nahe in I. Hochwasser, dessen Höchststand einer Auskunft der Stadtverwaltung I. zufolge zwischen 12 und 14 Uhr eintrat; nach 14 Uhr ging das Wasser wieder zurück. Wie schon bei vielen Hochwasserereignissen vorher drang Wasser in die Keller der Häuser Wilhelmstraße … bis … ein. Der Wasserstand im Keller der Klägerin betrug nach ihren Angaben vor dem erkennenden Senat 30 cm. Der Beklagten gegenüber hatte sie im Verwaltungsverfahren einen Wasserstand von 50–60 cm, dem Kriminalkommissar L. eine Wasserhöhe von 20 cm angegeben. Ihr Öltank war mit etwa 800 Litern zu 80 % gefüllt.
M, der das Wasser aus dem Keller abpumpen wollte, fuhr mit der Klägerin zu seiner Beschäftigungsfirma und lieh sich dort eine Ansaugpumpe aus. Zwischen 14 und 15 Uhr, nach Einnahme des Mittagessens, begab sich M in den Keller des Wohnhauses und nahm unter Verwendung eines Verlängerungskabels, das aus seinem Haushalt stammte und nicht betriebssicher war, die Ansaugpumpe in Betrieb, an welcher nach späteren Feststellungen der Schalter locker war, wodurch Feuchtigkeit in die Pumpe eindringen konnte. Seine 14-jährige Tochter K. befand sich zu dieser Zeit auf der Straße, um zu kontrollieren, ob Wasser aus dem durch ein Kellerfenster geführten Ablaufschlauch lief. Nachdem sie plötzlich Schmerzensschreie ihres Vaters gehört hatte, fand sie ihn zum Teil im Wasser sitzend und die unter Strom stehende Ansaugpumpe mit beiden Händen umfassend auf; auf Anrufen reagierte er nicht. Im feuchten Stecker der Pumpe bildeten sich Kriechströme, die aufgrund der Mängel des Verlängerungskabels über den Körper des M zur Erde abliefen. M erlitt durch den Stromunfall einen Kreislaufstillstand, der zu einem ausgedehnten schweren hypoxischen Hirnschaden führte. Er wurde dadurch schwer pflegebedürftig und verstarb am … 1995 an den Unfallfolgen.
Der Beklagte lehnte durch an M gerichteten Bescheid vom 23.7.1993 die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall gemäß § 548 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO ab. Zur Begründung hieß es, Voraussetzung einer nach der zuletzt genannten Vorschrift versicherten Hilfeleistung sei, daß der Versicherte nicht zur Behebung eines bereits eingetretenen Schadens, sondern zur Abwendung eines noch drohenden Schadens tätig geworden sei. Diese Voraussetzung sei bei M nicht erfüllt. Zu dem Zeitpunkt, als er die Pumpe in Betrieb genommen habe, habe das Hochwasser bereits seinen Höchststand überschritten gehabt und sei abgeflossen. M habe keiner drohenden Gefahr entgegengewirkt, sondern lediglich den bereits in den Kellerräumen eingetretenen Wasserschaden verringern bzw. beseitigen können.
Im Widerspruchsverfahren trug M dazu vor, zum Unfallzeitpunkt sei für ihn noch nicht erkennbar gewesen, daß das Hochwasser zurückgehe. Außerdem habe er durch das Abpumpen des Wassers einer drohenden Gefahr entgegenwirken wollen, da in dem überfluteten Keller auch Öltanks untergebracht seien und das Wasser zudem weiteren Schaden am Gebäude verursacht hätte.
Durch Widerspruchsbescheid vom 10.3.1994 wies der Beklagte den Widerspruch des M mit der Begründung zurück, ein Hochwasser von 20 cm stelle keine erhebliche Gefahr dar. Auch wenn M noch nicht habe erkennen können, daß das Hochwasser zurückgehe, habe er doch bemerken müssen, daß es nicht weiter anstieg.
Im Klageverfahren hat der Beklagte vorgetragen, falls die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO erfüllt seien, sei M auch...