Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. haftungsausfüllende Kausalität. Unfallfolge. Zeitabstand
Orientierungssatz
Eine Cervicocephalgie und eine Cervicobrachialgie können nicht als Folge eines Wegeunfalles anerkannt werden, wenn die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule erst nach sechs Wochen nach dem Unfallgeschehen objektiviert werden konnten.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin aufgrund eines Wegeunfalls eine Verletztenrente zu zahlen ist.
Die am 1.5.1945 geborene Klägerin ist von Beruf Bankkauffrau.
Am 14.10.1988 verunglückte sie gegen 18.40 Uhr auf der Fahrt von ihrer Arbeitsstätte nach Hause als Führerin ihres Pkw, indem ihr ein entgegenkommendes links abbiegendes Fahrzeug die Vorfahrt nahm und sie mit diesem kollidierte, wobei sie angeschnallt war.
Der Durchgangsarzt Prof. K. diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 14.10.1988 eine Sternumfraktur, einen Verdacht auf Contusio cordis sowie eine Prellung des linken Mittelfingers. Die Klägerin gab Schmerzen im Bereich der Sternummitte und im Bereich des distalen Interphalangialgelenkes des linken Mittelfingers an.
Am 3.11.1988 berichtete Prof. Dr. K. der Beklagten, die anfangs täglich durchgeführten Röntgenkontrollen des Thorax sowie das EKG hätten keine Auffälligkeiten erbracht. Die Laborparameter hätten keinen Verdacht auf Myocardschädigung im Rahmen einer Contusio cordis ergeben. Am 25.10.1988 sei die Klägerin in gutem Allgemeinzustand in ambulante Behandlung entlassen worden, wobei etwa weitere vier Wochen körperliche Schonung empfohlen werde. Eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade sei derzeit nicht anzunehmen.
Der weiterbehandelnde Orthopäde Dr. B. berichtete am 27.11.1988, derzeitige Beschwerden der Klägerin seien Ein- und Durchschlafstörungen, Hust- und Niesschmerz, Schmerzen beim Bücken im Brustkorbbereich sowie HWS-Schulter-Arm-Beschwerden links. Er diagnostizierte einen Status nach Sternumfraktur und Thoraxkontusion, Status nach H-BWS-Schleuderverletzung mit persistierenden Beschwerden, persistierende Schulterbeschwerden nach Verletzung durch Sicherheitsgurt bei Verkehrsunfall. In weiteren Befundberichten des Dr. B. vom 15.12.1988, 12.1.1989 und 29.3.1989 wurden die gleichen Beschwerden der Klägerin wiedergegeben.
In einem Gutachten vom 4.7.1989 kam der Chirurg Dr. W. zu dem Ergebnis, Unfallfolgen seien lediglich Schmerzen der Klägerin nach knöchern konsolidierter Sternumfraktur. Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule und der linken Schulter könnten nicht auf den Unfall zurückgeführt werden, da aus der Krankenakte, die einen Verlauf vom 14.10. bis 25.10.1988 dokumentiere, sich kein Hinweis auf Schmerzen im Bereich der Schulter oder der Halswirbelsäule nach dem Unfall ergebe. Aus den Röntgenbefunden ließen sich Zeichen einer diskreten chronischen Erkrankung der Wirbelsäule sowohl im Halswirbel- als auch im Brustwirbelbereich ableiten. Arbeitsunfähigkeit habe bis 26.6.1989 bestanden. Danach betrage die MdE 10 %.
Durch Bescheid vom 26.7.1989 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente unter Hinweis auf das Gutachten des Dr. W. ab.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie habe bereits im Krankenhaus über Sehbeschwerden und über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und des Rückens geklagt. Sie legte einen radiologischen Befundbericht der Frau Dr. S. vom 25.8.1989 vor, in dem von Unfallfolgen im Bereich der Halswirbelsäule die Rede ist. Außerdem legte sie ein für das Arbeitsamt D. erstelltes Gutachten des Dr. R. vom 29.11.1990 vor, in dem schmerzhafte Verspannungen der Schulter- Nackenmuskulatur als Unfallfolge beschrieben wurden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 12.3.1991 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Gutachten des Unfallchirurgen Dr. K. vom 12.3.1992 eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide an einer Cervicocephalgie und Cervicobrachialgie links, einem Thorakolumbalsyndrom und einem Zustand nach Bruch des Brustbeins. Die von der Halswirbelsäule ausgehenden Beschwerden könnten nicht dem Unfall zugerechnet werden, da nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft ein beschwerdefreies Intervall nach Halswirbelsäulenschleudertrauma von mehr als 36 Stunden nicht denkbar sei. Bei der Klägerin seien aber Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule und der linken Schulter erstmals sechs Wochen nach dem Unfallereignis festgestellt worden. Unfallfolge sei daher lediglich der Zustand nach Bruch des Brustbeines. Dieser habe nach medizinischer Erfahrung zu einer Arbeitsunfähigkeit von drei Monaten und nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu einer MdE von 20 % für weitere drei Monate geführt. Nach diesem Zeitraum betrage die MdE 10 %.
Durch Urteil vom 29.10.1992 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, Verletztenrente nach einer MdE von 20 % für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.1989 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zu...