Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Haarersatz für Männer bei krankheitsbedingtem Verlust des Haupthaares. unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern verstößt nicht gegen Art 3 GG
Leitsatz (amtlich)
Bei Männern fällt die Versorgung mit einer Perücke bei krankheitsbedingtem vollständigem Haarverlust nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies verstößt nicht gegen Art 3 Abs 3 S 1 GG.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10.4.2006 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Beklagte die Kosten für eine Perücke zu übernehmen hat.
Der 1963 geborene Kläger leidet seit seiner Kindheit an einem völligen Haarverlust. In der Vergangenheit erhielt er regelmäßig (nach eigenen Angaben zuletzt im Jahr 2003) Haarersatz auf Kosten der Beklagten. Am 8.8.2005 beantragte er erneut die Übernahme der Kosten einer Perücke. Er legte eine Verordnung seiner behandelnden Hautärztin sowie einen Kostenvoranschlag eines Perückenherstellers über 1.025 € vor.
Durch Bescheid vom 11.8.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung hieß es: Eine Haarersatz-Langzeitversorgung komme grundsätzlich nur für Frauen, Kinder und Jugendliche in Betracht. Männliche Erwachsene könnten eine solche Versorgung nur unter bestimmten Voraussetzungen, ua bei drohender psychischer Beeinträchtigung, erhalten. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung machte er ua eine drohende psychische Beeinträchtigung geltend. Er verwies ferner auf ein Schreiben der Beklagten an ihn, wonach ihm alle zwei Jahre ein Haarersatz zustehe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) verneinte in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom September 2004 die medizinische Indikation für die Gewährung von Haarersatz. Der Kläger legte daraufhin ein Attest seines behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr L vom Oktober 2005 vor, wonach bei ihm eine akzentuierte Persönlichkeitsstörung mit somatoformer Ausprägung und Neigung zu psychischer Dekompensation in Belastungssituationen vorliege; aus nervenärztlicher Sicht sei ein baldiger positiver Abschluss des Bewilligungsverfahrens hinsichtlich der Perücke zu wünschen. Durch Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 (zur Post aufgegeben am 23.11.2005) wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da medizinische Gründe für die Versorgung mit einer Perücke nicht vorlägen.
Mit seiner am 20.12.2005 erhobenen Klage hat der Kläger ua vorgetragen, eine Verweigerung der Perücke würde zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Ungleichbehandlung zwischen weiblichen und männlichen Versicherten führen. Durch Urteil vom 10.4.2006 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die unterschiedliche Behandlung von männlichen und weiblichen Versicherten beruhe auf sachlichen Gründen.
Gegen dieses ihm am 5.7.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 3.8.2006 eingelegte Berufung des Klägers, der vorträgt: Für ihn sei unverständlich, dass die Beklagte die Kosten einer erforderlichen psychischen Behandlung übernehmen, diejenigen einer Perücke jedoch nicht tragen wolle. Die bewusste Herbeiführung einer psychischen Erkrankung führe zu einem Eingriff in seine subjektiven Rechte aus Art 1 Grundgesetz (GG). Er sei nicht mehr im Besitz des Schreibens, in dem die Beklagte ihm in Aussicht gestellt habe, alle zwei Jahre Haarersatz zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Mainz vom 10.4.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die beantragte Perücke als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Ein Schreiben von ihr an den Kläger, wonach dieser “alle zwei Jahre„ Haarersatz erhalten werde, liege ihr nicht mehr vor. Es habe nicht ihrer Verwaltungspraxis entsprochen, für zukünftige, konkret noch nicht einmal beantragte Perückenversorgungen eine Zusage zu erteilen. Ihre gängige Vorgehensweise sei es gewesen, im Falle der Bewilligung einer Perückenversorgung darauf hinzuweisen, dass vor Ablauf der regulären Haltbarkeitsdauer von zwei Jahren eine Neuversorgung mit einer Perücke grundsätzlich nicht möglich sei. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass im vorliegenden Fall ein solcher Hinweis erfolgt sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Perücke durch die Beklagte.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in...