Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Diabetes mellitus Typ 1. Continous Glucosemonitoring System (CGMS). neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. keine Kostenerstattung
Orientierungssatz
1. Bei dem CGMS handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB 5. Die kontinuierliche Glukosemessung stellt ein anderes - neues - Konzept im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlungsmethode dar (vgl LSG Hamburg vom 22.7.2013 - L 1 KR 38/13; aA LSG Halle vom 29.1.2013 - L 4 KR 89/12 B ER, vgl zum Meinungsstand auch LSG Potsdam vom 27.11.2013 - L 1 KR 265/13 B ER).
2. Soweit geltend gemacht wird, durch das CGMS werde ein elementarer Behinderungsausgleich erzielt, kann dies die Prüfung dieser neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA nicht entbehrlich machen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 22.08.2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für das zwischenzeitlich beschaffte "Continuous Glucosemonitoring System (CGMS)" zur kontinuierlichen Blutzuckermessung.
Die 2008 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einem Diabetes mellitus Typ I und ist bereits mit einer Insulinpumpe der Firma Medronic GmbH Medizintechnik versorgt. Mit Schreiben vom 16.04.2012 beantragte die Klägerin die Versorgung mit einem CGMS und legte ein Gutachten des Oberarztes Dr. L, Abteilung Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums M, T, vom 02.03.2010 sowie einen Kostenvoranschlag der Firma Medronic GmbH Medizintechnik, vor. Nach Angaben des Herstellers (vgl. Bl. 2 f Verwaltungsakte - VA -) kann die bereits vorhandene Insulinpumpe durch die Ausstattung mit dem beantragten Messgerät zum sogenannten "Veo System" erweitert werden. Dieses besteht aus drei Teilen: Der Veo-Insulinpumpe, dem Glukosesensor Enlite®, der ins Unterhautfettgewebe eingeführt wird und die Glukosewerte 24 Stunden am Tag misst, sowie dem MiniLin TM Real-Time-Transmitter, der die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe sendet. Durch das kontinuierliche Glukose-Monitoring können rund um die Uhr alle fünf Minuten (bis zu 288 mal am Tag) die Glukosewerte eingesehen werden. Aktuelle Glukoseverläufe mit Trends über 3, 6, 12 und 24 Stunden zeigen die Auswirkungen von Mahlzeiten, körperlichen Aktivitäten sowie von Insulin- und Medikamentengaben. Das kontinuierliche Glukose-Monitoring ist nach Angaben des Herstellers kein Ersatz für Blutzuckermessungen, diese sind weiterhin notwendig. Es stehen eine Reihe von Alarmfunktionen zur Verfügung, die vor unerwünschten Glukoseschwankungen warnen können. Zudem erkennt das Veo System, ob eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) droht. Wird ein vorher definierter Grenzwert erreicht, gibt das System eine Warnmeldung ab und unterbricht automatisch die Insulinzufuhr. Der Patient kann - nach einer zuvor durchgeführten Blutzuckermessung - entscheiden, ob er die Insulinzufuhr wieder starten oder die Unterbrechung weiterführen möchte. Wenn er die Unterbrechung der Insulinabgabe bestätigt, bleibt die Insulinzufuhr zwei Stunden lang unterbrochen. Wenn er auf die Warnmeldung nicht reagiert, bleibt die Insulinzufuhr automatisch für zwei Stunden unterbrochen und startet danach wieder automatisch.
Die Eltern der Klägerin führten aus, bei der Klägerin würden im Schnitt zehnmal am Tag konventionell die Blutzuckerwerte gemessen, die Messgeräte am Rechner ausgelesen und die Basalraten verändert sowie die Bolusfaktoren der Insulinpumpe gemanagt. Trotzdem gebe es sehr oft schnell wechselnde Blutzuckerwerte mit Extremwerten im tiefen und im hohen Wertebereich. Die Klägerin nehme diese Symptome ihrer Hypoglykämie nicht wahr. Mit dem CGMS wäre es den Eltern, Verwandten und dem Kindergartenpersonal möglich, direkt zu reagieren, bevor eine Unterzuckerung auftrete. Mit den derzeit punktuellen Blutzuckermessungen befinde man sich die längste Zeit des Tages "im Blindflug". Es sei auch eine große Belastung, permanent nächtliche Messungen durchzuführen. Mit Bescheid vom 25.04.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, bei dem beantragten Produkt handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Es handele sich um ein nicht standardisiertes Therapieverfahren, eine Zulassung der Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) liege nicht vor. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie habe einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen H und damit auch Anrecht auf einen Behinderungsausgleich. Dabei sei der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritt zu berücksichtigen. Bei dem CGMS handele es sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, sondern um ein Hilfsmittel,...