Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Beratungshilfe. Übergang des Anspruchs auf Erstattung von Vorverfahrenskosten auf den Rechtsanwalt. Prozessstandschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit Beratungshilfe bewilligt ist, tritt ein Forderungsübergang ein, infolge dessen nicht mehr der Widerspruchsführer, sondern der Rechtsanwalt Gläubiger des Erstattungsanspruchs ist (§ 9 S 2 BerHG).

2. Für eine gewillkürte Prozessstandschaft der Kläger als vormalige Widerspruchsführer fehlt es an dem vorausgesetzten schützenswerten Interesse der Ermächtigten, das Verfahren im eigenen Namen zu führen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 11. Dezember 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Freistellung der Kläger von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens in Höhe von 177,25 €.

Die Klägerin zu 1., ihr am ... 2009 geborener Sohn J… (Kläger zu 2.) sowie der am ... 2010 geborene Sohn E… (Kläger zu 3.), die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, beziehen von dem Beklagten Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit bestandskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.07.2011 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Kläger im betreffenden Zeitraum vom 1. März 2011 bis 30. April 2011 teilweise auf. Für die Klägerin zu 1) ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 175,80 €, für den Sohn J ein Erstattungsbetrag in Höhe von 62,96 € sowie für den Sohn E ein Betrag in Höhe von 62,96 €. Daraus ergab sich eine Gesamtforderung in Höhe von 301,72 €. Der an die Klägerin zu 1. adressierte Bescheid enthält den weiteren Hinweis, dass der Bescheid, soweit er ihre Kinder betreffe, an die Klägerin zu 1. als gesetzlichen Vertreter ergehe. In einem weiteren Verfahren erklärte sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 (Verfahren W-56304-00136/12; 00137/12 betreffend die Bescheide vom 8. Mai 2012 und vom 25. Mai 2012) bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen und notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Des Weiteren wurde die Zuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anerkannt. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 19. September 2012, die Kläger aus den im Einzelnen bezeichneten Kostenrechnungen freizustellen. Beigefügt war die an die Klägerin zu 1. adressierte, das Widerspruchsverfahren W 136/12 und W 137/12 (Bescheide vom 8. Mai 2012 und vom 25. Mai 2012) betreffende Rechnung 0163.12 vom 19. September 2012, welche nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) eine Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) für 3 Auftraggeber in Höhe von 384,00 € zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 €, zusammen 404,00 €, aufführte, und hiervon 2/3 = 269,33 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer in Höhe von 51,17 €, insgesamt einen Betrag in Höhe von 320,50 € ausweist.

Die Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) regeln unter Ziffer 11. Abs. 1, dass vor einer Auszahlung von zu erstattenden Kosten im Vorverfahren und außergerichtlichen Kosten in Sozialgerichtsverfahren stets zu prüfen ist, ob gegen den Kläger Forderungen seitens der BA bestehen. Soweit die BA Forderungen gegen den Kostengläubiger hat, ist eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu prüfen. Ziffer 11. Abs. 2 sieht vor, dass, sofern eine Aufrechnung in Betracht kommt, diese nicht mit hoheitlichen Mitteln (Verwaltungsakt) erfolgt, sondern mittels einseitiger Willenserklärung. Dementsprechend teilte der Beklagte der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 04.10.2012 mit, dass die Kosten in Höhe von 320,50 € erstattungsfähig seien, dieser Anspruch jedoch gegen die Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.07.2011 in Höhe von 177,25 € aufgerechnet werde (175,80 € sowie 1,45 € Mahngebühren). Der Differenzbetrag in Höhe von 143,25 € wurde an die Prozessbevollmächtigte der Kläger ausgezahlt.

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung vom 09. Oktober 2012 unter Bezugnahme auf den beigefügten Berechtigungsschein der Beratungshilfestelle bei dem Amtsgericht B ... (Az.: 10a UR II 262/12) vom 29.Juni.2012, in dem als betreffende Angelegenheit das Widerspruchsverfahren gegen das Jobcenter - Bescheid vom 25. Mai.2012 - bezeichnet ist, haben die Kläger am 3. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Trier (SG) erhoben. Die Kläger vertreten die Auffassung, die Aufrechnung gehe schon mangels Gleichartigkeit der Ansprüche ins Leere. Zudem würde nur bei von der Prozessbevollmächtigten vertretenen Leistungsempfängern in dieser Weise verfahren, was einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle. Die Aufrechnung sei auch nach Sinn und Zweck der Kostenvorschriften ausgeschlossen. Der Beklagte hat vorgetragen, bei dem Kostenerstattungsanspruch handele es sich um eine Forderung, die auf Geld gerichtet sei. Di...

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