Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenkasse. Mitgliedschaft. Arbeitgeberwechsel. Nichtausübung des Wahlrechts. Jahresbindung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschäftige, die den Arbeitgeber gewechselt und ihr Krankenkassenwahlrecht nicht ausgeübt haben, sind mit dem Eintritt in das neue versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis mindestens 12 Monate an die Krankenkasse gebunden, bei der sie der Arbeitgeber angemeldet hat.

2. Die durch den Arbeitgeber bei einer Krankenkasse angemeldeten versicherungspflichtigen Beschäftigten unterliegen der Jahresbindung auch dann, wenn sie bereits vor dem Arbeitgeberwechsel mindestens 1 Jahr Mitglieder der (jeweiligen) Krankenkasse waren.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, zu welchem Zeitpunkt die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten geendet hat.

Der Kläger war seit dem 1.4.1995 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Am 1.7.1996 nahm er eine Beschäftigung bei der Kassenärztlichen Vereinigung K auf. Nachdem ihn der Arbeitgeber bei der Beklagten angemeldet hatte, kündigte der Kläger mit Schreiben vom 16.9.1996 die Mitgliedschaft zum 31.12.1996. Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Bescheid vom 7.10.1996. An die mit dem Arbeitgeberwechsel getroffene Kassenwahl sei der Kläger mindestens zwölf Monate gebunden.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger damit begründet hatte, daß die Jahresbindung nicht in den Fällen gelte, in denen die seit über einem Jahr bestehende Mitgliedschaft bei derselben Krankenkasse fortgesetzt würde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.1996 zurück. Den Versicherten stehe ein Krankenkassenwahlrecht zur Verfügung, sobald sich der zur Versicherungspflicht führende Tatbestand ändere. Die in § 175 Abs 4 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) normierte Bindung entstehe auch bei der passiven (arbeitgeberseitigen) Ausübung des Krankenkassenwahlrechts unabhängig von der Dauer der früheren Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse.

Während des Klageverfahrens hat der Kläger mit Schreiben vom 21.3.1997 erneut seine Mitgliedschaft gekündigt. Im Hinblick auf die zum 1.5.1997 beschlossene Beitragserhöhung hat die Beklagte der Beendigung der Mitgliedschaft zum 31.8.1997 zugestimmt.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe den Begriff der "Wahlentscheidung" ausschließlich anhand des Gesetzeswortlauts ausgelegt. Das vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 175 Abs 4 Satz 1 SGB V verfolgte Anliegen bestehe jedoch darin, verwaltungsaufwendige Kurzzeitmitgliedschaften zu vermeiden. Die Vorschrift sei daher nicht auf Versicherte anwendbar, bei denen allein der Arbeitsplatzwechsel zur Fortsetzung der seit über einem Jahr bestehenden Mitgliedschaft führe. Auch das Schrifttum gehe nur für den Fall, daß sich der Versicherte für eine andere Krankenkasse entscheidet, von einer Bindung aus. Im übrigen habe er von der Möglichkeit, Mitglied der Betriebskrankenkasse (BKK) für Heilberufe werden zu können, erst Anfang September 1996 erfahren. § 175 Abs 5 SGB V schließe folglich die einjährige Bindungsfrist aus.

Mit Urteil vom 15.10.1997 hat das Sozialgericht Koblenz (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht zum 31.12.1996 kündigen dürfen. Jede neu getroffene Kassenwahl löse die zwölfmonatige Bindungsfrist aus. Es komme nicht darauf an, ob die Krankenkasse erstmals oder wiederholt aktiv durch den Versicherten oder passiv durch den Arbeitgeber gewählt worden sei. Das mit dem Eintritt eines neuen, die Versicherungspflicht begründenden Tatbestands entstehende Wahlrecht sei mit dem originär erworbenen Wahlrecht vergleichbar. Für eine Besserstellung der durch einen Arbeitgeber angemeldeten Versicherten gegenüber den aktiv wählenden Versicherungspflichtigen sei kein Raum. Auch bei der Wiederwahl einer Krankenkasse sei dem mit kurzfristigen An- und Abmeldungen verbundenen Verwaltungsaufwand entgegenzuwirken.

Gegen das ihm am 23.10.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.11.1997 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, die Bindungswirkung sei wegen der Ausnahmebestimmung des § 175 Abs 5 SGB V nicht eingetreten. Sie komme auch deshalb nicht zum Tragen, weil er nach seinem Arbeitsplatzwechsel weiterhin Mitglied der Beklagten gewesen sei. Die gegenteilige Auffassung widerspreche der Intention des Gesetzgebers und einzelnen Stimmen in der Literatur. Die Annahme des SG, die Fortsetzung der Mitgliedschaft entspreche deren erstmaligen Entstehung, sei unzutreffend. Die Weiterführung einer Mitgliedschaft sei mit einem erheblich geringeren Verwaltungsaufwand verbunden. Auf der Grundlage der zum 1.5.1997 eingetretenen Beitragserhöhung und des mit dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) zum 1.7.1997 eingeführten Sonderkündigungsrechts des § 175 Abs 4 Satz 3 SGB V sei die Mitgliedschaft jedenfalls zum 30.6.1997 gekündigt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozia...

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