Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. ambulant durchgeführte Liposuktion. Systemmangel
Orientierungssatz
Allein der Umstand, dass die Ursachen des Lipödems unbekannt sind und eine dauerhaft wirksame Heilmethode bisher nicht gegeben ist, begründet noch keinen Systemmangel mit der Folge, dass die Liposuktion auch ohne Empfehlung des GBA von den Krankenkassen zu gewähren gewesen wäre (entgegen SG Chemnitz vom 1.3.2012 - S 10 KR 189/10). Angesichts der fehlenden Evidenz ist die Liposuktion im Übrigen nicht als "sichere und effektive Therapiealternative" zu werten (vgl LSG Darmstadt vom 25.8.2011 - L 1 KR 250/10).
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 5.12.2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von vier ambulanten Liposuktionen in Höhe von insgesamt 9.817,37 € hat.
Die 1980 geborene Klägerin, bei der Beklagten krankenversichert, leidet an Lipödemen an den Armen und Beinen. Unter Vorlage ua eines Arztbriefes von Prof Dr S vom Juli 2010, einer Bescheinigung des Dr R vom September 2010 und eines Attests des Dr S vom September 2010 beantragte sie im September 2010 die Übernahme der Kosten für Liposuktionen im Bereich der Beine in drei geplanten Sitzungen. Sie führte ergänzend aus: Schon seit dem 16. Lebensjahr leide sie an Lipödemen der Beine. Seit Juni 2010 seien erhebliche Schmerzen aufgetreten, die sie in ihrem Beruf beeinträchtigten; teilweise seien die Wasserablagerungen so groß, dass sie nur noch durch kalte Umschläge und Schmerzmittel Linderung erfahre. Ihr entstünden so auch Fehlzeiten, und sie sei in ihrer beruflichen Weiterbildung zur Steuerberaterin beeinträchtigt. Sie könne ihre sozialen Kontakte nicht mehr so wahrnehmen wie zuvor, und auch ihre Familie leide unter der Situation.
Die Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr S führte in einer Stellungnahme vom 8.10.2010 aus: Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die es an einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle. Eine medizinische Notwendigkeit der Durchführung von Liposuktionen sei nicht gegeben. An erster Stelle der möglichen Behandlungsmaßnahmen stünden die komplexe physikalische Entstauungstherapie, die Bewegungstherapie und die Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen der Klasse III, besser der Klasse IV. Nach Übersendung einer Fotodokumentation ergänzte die Ärztin im MDK Dr J in einer Stellungnahme vom 25.10. 2010, bei der Klägerin solle eine manuelle Lymphdrainage durchgeführt werden, da ein Lymphödem nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Mit Bescheid vom 27.10.2010 und Widerspruchsbescheid vom 26.1.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Liposuktionen ab. Zur Begründung stützte sie sich auf die Stellungnahmen des MDK und führte ergänzend aus, nur in eng begrenzten Fällen könnten die Kosten für außervertragliche Leistungen bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung übernommen werden, die bei der Klägerin nicht vorliege.
Zur Begründung ihrer am 15.2.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin eine Bescheinigung des Internisten Dr K vom Februar 2011 sowie Fotos vorgelegt. Sie hat in der Hautklinik des Klinikums D am 26.8.2011 (Oberschenkel innen), am 30.9.2011 (Oberschenkel außen), am 28.10.2011 (Unterschenkel) und am 25.11.2011 (Arme) Liposuktionen durchführen lassen und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) am 5.12.2011 Rechnungen vom 3.9.2011, 4.10.2011 und 5.11.2011 über jeweils 2.604,08 € vorgelegt. Die Klägerin hat vorgetragen, es sei zweifelhaft, ob es sich überhaupt um ambulante Behandlungen und nicht vielmehr um stationäre Behandlungen gehandelt habe. Erstinstanzlich hat sie beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, die ihr entstandenen Kosten für die am 26.8.2011, 30.9.2011, 28.10.2011 und 25.11.2011 durchgeführten Liposuktionen in Höhe von insgesamt 9.812,24 € zu erstatten. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 5.12.2011 abgewiesen und zur Begründung dargelegt: Hinsichtlich der am 25.11.2011 durchgeführten Liposuktion an den Armen sei die Klage unzulässig, da es insoweit an einem Bescheid der Beklagten fehle; die Klägerin habe im September 2010 nur Liposuktionen an den Beinen begehrt, wie sich aus der seinerzeit vorgelegten Bescheinigung des Dr R (Hautklinik des Klinikums der Stadt D) ergebe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Es habe sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung iSd § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gehandelt. Die Klägerin habe auch keinen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alternative SGB V. Denn die von ihr begehrte Leistung sei nicht von dem Leistungskatalog des SGB V e...